Die Main-Post berichtete am 4. Mai über den ersten Bundesbürger aus Bayern, der von der Bundesopiumstelle eine Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Verwendung von Cannabis erhalten hat:
„Cannabis als Medikament: Der Kissinger Frank Clemens ist der Erste in Bayern, der die Droge vom Arzt zur Schmerztherapie verordnet bekommt.
Sie duftet unerhört süßlich. Nahezu betörend. Es ist die Pflanze, die seit jeher eine Flower-Power-Nostalgie umgibt. Für den Kissinger Frank Clemens ist sie die Medizin, die ihm das Leben erträglich macht. Der 44-Jährige ist der Erste in Bayern, der Cannabis als Medikament verordnet bekam. ‚Mit Cannabis kann ich schmerzfrei leben.‘
Clemens ist nach einem Badeunfall am Ellertshäuser See mit 17 Jahren vom Kopf abwärts gelähmt. ‚Mit viel Glück und Willen bin ich aber wieder auf die Beine gekommen‘, sagt er heute. Eine Art medizinische Sensation sei das gewesen.
Angefangen zu kiffen habe er schon mit 18, erzählt er. ‚Damit konnte ich vor allem meine Spastik gut behandeln.‘ Dass er entsprechende Kontakte zur Szene hatte inklusive Ärger mit Polizei und Justiz, liegt auf der Hand.
Vor acht Jahren trifft Clemens ein weiterer Schicksalsschlag. Am Deutschen Krebsforschungszentrum diagnostizieren Ärzte bei ihm ein Liposarkom. Das klang sehr nach ‚bald waagrecht unter der Erde liegen‘, erinnert sich Clemens. Es folgten Chemotherapie und schwere Operationen, unter anderem eine so genannte Rippenteilresektion. Aber: ‚Der scheiß‘ Krebs sollte mich nicht kleinkriegen.‘
Seit ihm Rippen- und Muskelteile entfernt wurden, leidet der 44-Jährige an chronischen Schmerzen. ‚Ein pochender, drückender Schmerz, ein Phantomschmerz.‘ Er könnte an besonders schlimmen Tagen direkt mit dem Rollstuhl die Wand hochfahren, sagt er. Doch der regelmäßige Cannabis-Konsum lindere die Schmerzen enorm. ‚Die täglichen Joints erhalten mir die Lebensqualität.‘
Mit Beharrlichkeit und anwaltlichem Engagement hat Clemens vor einem Jahr durchgesetzt, dass er Cannabis legal aus der Apotheke beziehen kann. Unter strengen Auflagen – ‚und um ein Vierfaches teurer als auf dem Schwarzmarkt‘. Die Hälfte seiner monatlichen Erwerbsunfähigkeitsrente gehe dafür drauf, sagt Clemens. ‚Die Kasse zahlt das nicht.‘ (…)“
Ein begleitendes Interview mit Dr. Franjo Grotenhermen in der Main-Post liefert weitere Hintergründe zur medizinischen Verwendung von Cannabis.
„Franjo Grotenhermen plädiert für die Verwendung von Cannabisprodukten in der Medizin. (…) Er ist Vorsitzender der 1997 gegründeten Arbeitsgemeinschaft für Cannabis als Medizin (ACM). Der Kölner Mediziner hat sich als Autor vieler Bücher zum therapeutischen Potenzial der Cannabispflanze einen Namen gemacht und fungiert als Gutachter für Firmen, Gerichte und Institute. Der 53-Jährige leidet an einer seltenen chronischen Krankheit und muss liegen.
Frage: Wann ist die Einnahme von Cannabis als Medizin aus ärztlicher Sicht sinnvoll, ja sogar notwendig?
Franjo Grotenhermen: Cannabis und sein Inhaltsstoff Dronabinol üben eine Vielzahl von Wirkungen aus, von denen einige therapeutisch genutzt werden können. Dazu zählt die Linderung von Schmerzen. Es gibt zwar bereits zugelassene Medikamente, die jedoch nicht immer ausreichend wirksam sind oder starke Nebenwirkungen verursachen können. In diesen Fällen sollten Cannabisprodukte versucht und im Falle einer Wirksamkeit medizinisch verwendet werden dürfen.
Wie viele Menschen in Deutschland können Cannabis legal beziehen?
Grotenhermen: Etwa 40 Patienten besitzen eine Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Verwendung eines Cannabisextrakts. Darüber hinaus geben deutsche Apotheken jährlich etwa 7500 Gramm Dronabinol ab. Legt man eine durchschnittliche Tagesdosis von 15 Milligramm zu Grunde, so ließen sich damit etwa 1400 Patienten behandeln. (…)“
Mehr unter:
– https://www.mainpost.de/lokales/bad-kissingen/Cannabis-Medizin-Bad-Kissingen;art766,5562262
– https://www.mainpost.de/lokales/bad-kissingen/Cannabis-Medizin-Bad-Kissingen-Interview-Franjo-Grotenhermen;art766,5562265
(Quelle: Main-Post vom 4. Mai 2010)