Ein Patient aus Senden in NRW, der Cannabis zu medizinischen Zwecken verwendet, wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. Er besitzt eine Ausnahmeerlaubnis für die Verwendung von Cannabisblüten aus der Apotheke, kann sich das Medikament aber nicht leisten. Er zeigte sich selbst wegen des Anbaus von Cannabis an.
„Fünf Monate Haft wegen Drogenanbaus. Dazu ist am Dienstag ein 27-Jähriger aus Senden verurteilt worden. Der Mann hatte Cannabis zu medizinischen Zwecken angepflanzt – und sich selbst angezeigt.
So etwas erlebt Amtsgerichtsdirektor Thomas Mayer wohl selten. Soeben hat er dem Angeklagten die Einstellung des Verfahrens geradezu wärmstens ans Herz gelegt. „Denn wenn wir hier verhandeln, müssen Sie mit einer Verurteilung rechnen. Ich will ihnen nur Gutes“, sagt der Richter. Der 27-Jährige auf der Anklagebank jedoch lehnt ab. Mayer ist überrascht, sagt: „Also, normalerweise freuen sich Angeklagte über solche Vorschläge des Gerichts.“ 50 Minuten später verurteilt der Richter den Mann aus Senden zu fünf Monaten Haft auf Bewährung – wegen vorsätzlichen Anbaus von Betäubungsmitteln.“
27-Jähriger verurteilt: Cannabis zu therapeutischen Zwecken angebaut
Fünf Monate Haft wegen Drogenanbaus. Dazu ist am Dienstag ein 27-Jähriger aus Senden verurteilt worden. Der Mann hatte Cannabis zu medizinischen Zwecken angepflanzt – und sich selbst angezeigt.
So etwas erlebt Amtsgerichtsdirektor Thomas Mayer wohl selten. Soeben hat er dem Angeklagten die Einstellung des Verfahrens geradezu wärmstens ans Herz gelegt. „Denn wenn wir hier verhandeln, müssen Sie mit einer Verurteilung rechnen. Ich will ihnen nur Gutes“, sagt der Richter. Der 27-Jährige auf der Anklagebank jedoch lehnt ab. Mayer ist überrascht, sagt: „Also, normalerweise freuen sich Angeklagte über solche Vorschläge des Gerichts.“ 50 Minuten später verurteilt der Richter den Mann aus Senden zu fünf Monaten Haft auf Bewährung – wegen vorsätzlichen Anbaus von Betäubungsmitteln.
Vorgeschichte
Der 27-Jährige leidet seit Jahren an Depressionen und konsumiert Cannabis zu therapeutischen Zwecken. Seit 2014 besitzt er eine Erlaubnis für den Erwerb von Marihuana-Produkten in Apotheken, ausgestellt vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn. Der Erwerb von Cannabis in Apotheken ist teuer. Bis zu 1500 EURo muss der gelernte Fertigungsmechaniker pro Monat aufbringen. Derzeit ist der 27-Jährige arbeitslos, lebt von Hartz IV. „Deshalb kann ich mir die Präparate nicht leisten.“ Die Krankenkasse bezahle nichts.
Vor einigen Monaten hat sich der Sendener eine Aufzuchtanlage gekauft und Cannabis angepflanzt. „Für mich selbst, zu medizinischen Zwecken. Ich bin kein Dealer.“ Seine erste Ernte – sieben bis acht Hanfpflanzen – zerstört er aber, geht zur Polizei, zeigt sich selbst an. Die Beamten stellen die Anbauanlage sicher. Er habe reinen Tisch machen wollen, sagt der Angeklagte vor dem Amtsgericht. „Ich habe diesen Druck, etwas Illegales zu tun, einfach nicht mehr ausgehalten.“ Der Eigenanbau von Cannabis ist in Deutschland verboten.
Verhandlung
Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft will das Gericht das Verfahren einstellen. Aus Rücksicht auf die Erkrankung des Angeklagten. Und weil die Schuld als gering anzusehen sei. Der vorbestrafte Angeklagte hat keinen Rechtsanwalt. Er verteidigt sich selbst und will, dass das Verfahren eröffnet wird. Weil er seine Anlage wiederhaben möchte, wie der 27-Jährige betont.
Plädoyer
Der Staatsanwalt sieht die Vorwürfe nach der Verhandlung bestätigt. Er fordert fünf Monate Haft auf Bewährung. Die Hintergründe der Selbstanzeige geben dem Anklagevertreter Rätsel auf. Er mutmaßt: „Vielleicht hofft der Angeklagte, vor Gericht einen Erfolg für die Legalisierung von Cannabis zu erzielen.“
Der Angeklagte plädiert auf Freispruch, erklärt den Anbau mit einem „gerechtfertigten Notstand“. Cannabis habe seine Beschwerden gelindert. Andere Medikamente vertrage er nicht. „Entweder ich nehme Cannabis oder ich ballere mir alles Mögliche rein. Dann krieg’ ich nichts mehr auf die Reihe.“
Urteil
Richter Mayer sagt: „Die Justiz wird die Aufzucht-Anlage nicht herausgeben.“ Er schließt sich der Forderung der Staatsanwaltschaft an: Fünf Monate auf Bewährung. Der Angeklagte könne sich nicht auf einen „gerechtfertigten Notstand“ berufen. Schließlich gehe es nicht „um Leib und Leben“. Depressionen ließen sich auch mit anderen Medikamenten behandeln. „Sie sind kein Cannabis-Märtyrer, auch nicht Opfer der Medizin“, sagt der Richter zu dem Sendener: „Sie sind Opfer Ihrer selbst.“ Der 27-Jährige kündigt an, weiterkämpfen zu wollen: „Ich gehe in Berufung.“