Zwei Urteile – eines vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, das sich auf unserer Webseite befindet, und eines vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, das in der Ärztezeitung vorgestellt wurde, – zeigen, dass Cannabinoid-Medikamente und Cannabisblüten im Einzelfall von den Krankenkassen bezahlt werden müssen.
Patientenurteile auf der IACM-Webseite
Cannabis-Tropfen auf Kassen-Kosten?
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen prüft, ob Cannabis-Tropfen zur Schmerztherapie in Einzelfällen von der Kasse bezahlt werden müssen.
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle will prüfen, ob die gesetzlichen Krankenkassen im Einzelfall Cannabis-Tropfen zur Schmerzbehandlung bezahlen müssen.
Nach einem Eilbeschluss ist dies dann der Fall, wenn die Auswirkungen der Schmerzen dem Verlust wichtiger Körperfunktionen wertungsgemäß gleichstehen.
Danach kann ein 54-jähriger Mann aus Niedersachsen vorerst die Tropfen beanspruchen. Er leidet seit seinem neunten Lebensjahr unter einem Morbus Bechterew mit progredientem Verlauf. Die dadurch verursachten Schmerzen haben nach Angaben des behandelnden Arztes ein inzwischen nahezu unerträgliches Ausmaß erreicht. Analgetika zeigten keine ausreichende Wirkung mehr.
Die Bundesopiumstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilte dem Mann eine Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabis zu Therapiezwecken.
Bei seiner Krankenkasse beantragte der Mann daraufhin die Kostenübernahme für Cannabis-Extrakt-Tropfen. Die Kasse verweigerte dies: Eine Schmerztherapie mit Cannabis gehöre nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Nach Überzeugung des LSG in Celle kann dies aber zumindest in Einzelfällen anders sein. Zwar gebe es für die Cannabis-Therapie keine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Der Schmerzpatient könne sich aber eventuell auf die gesetzliche Ausnahmeklausel für tödliche und besonders schwere Krankheiten berufen. Das Bundessozialgericht in Kassel hatte den Verlust wichtiger Körperfunktionen hier einbezogen.
Im konkreten Fall will das LSG in Celle nun prüfen, ob die starken Schmerzen des Klägers Auswirkungen haben, die dem Verlust wichtiger Körperfunktionen „wertungsmäßig gleichzustellen“ sind.
Bis zu einer Entscheidung hierüber im Hauptverfahren muss die Kasse die Kosten der Cannabis-Tropfen vorläufig übernehmen. Ein Abwarten sei dem Patienten angesichts seiner starken Schmerzen nicht zumutbar, so das LSG.
Im März hatte die deutsche Schmerzgesellschaft die Kostenübernahme in Einzelfällen befürwortet. Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass Schmerzpatienten im Einzelfall Cannabis für medizinischen Eigenbedarf anbauen dürfen.
LSG Celle Az.: L 4 KR 276/15 B ER