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Presseschau: Krebstherapie Die Hoffnung ruht auf Cannabis (Berliner Zeitung)

THC und CBD und andere Cannabinoide besitzen krebshemmende Eigenschaften. Der Forschungsstand ist jedoch noch sehr begrenzt. Die Deutsche Presseagentur hat das Thema aufgenommen. Prof. Lukas Radbruch von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat die Meldung zum Anlass genommen, Cannabisblüten durch die Falschmeldung zu diskreditieren, es käme in Holland bei medizinischen Cannabisblüten gelegentlich zu Pilzbefall. Damit droht er, sich selbst beim Umgang mit dem Thema zu diskreditieren.

Krebstherapie Die Hoffnung ruht auf Cannabis

Krebs ist tückisch. Er lässt Menschen bangen, verzweifeln, aber auch hoffen. Sie hoffen auf die Wirkung von Chemotherapien, Bestrahlungen, Medikamenten – manchmal auch auf Cannabis. Das Internet ist voll von Geschichten darüber, dass die berauschend wirkende Pflanze als Krebsmittel dienen kann. Das kühnste Versprechen: Cannabis könne Krebs heilen.

Das behauptet etwa der Kanadier Rick Simpson. In unzähligen Videos, Büchern und in den sozialen Netzwerken predigt der Rentner von der heilenden Wirkung eines durch Cannabis gewonnenen Öls. Ihn selbst habe es von Hautkrebs befreit, berichtet Simpson. Seine Geschichte spricht sich herum – rund um den Globus. Todkranke Menschen behandeln sich in Eigenregie mit dem Hanf-Öl. Gleichzeitig empfiehlt Simpson, auf Schulmedizin zu verzichten. „Rick Simpson ist kein Arzt. Was er macht ist fahrlässig“, sagt Mediziner Franjo Grotenhermen. Als Vorsitzender einer internationalen Arbeitsgemeinschaft für Cannabis als Medizin setzt er sich seit Jahren für die Anwendung der Pflanze in der medizinischen Therapie ein. „Cannabis ist kein Wundermittel, es ist eine Möglichkeit“, sagt er.

Effekte bei Mäusen und Ratten
Zuverlässige wissenschaftliche Belege für die von Rick Simpson angepriesene krebsheilende Wirkung der Pflanze gebe es nicht, auch wenn in dem Bereich seit Jahrzehnten viel geforscht werde, sagt Grotenhermen. „Es gibt Hinweise, dass einige Wirkstoffe von Cannabis wie Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) krebshemmend sind, sie können das Ergebnis von Standardtherapien verbessern – bei Mäusen und Ratten.“ Dass es beim Menschen auch so sei, könne man nur hoffen. Denn das tatsächliche Wissen über die Wirkung der Cannabinoide bei Tumorerkrankungen beschränkt sich bisher fast nur auf Zellstudien und Tierversuche, die – zumindest in manchen Fällen – Anlass zur Hoffnung geben. Auf Basis vorklinischer Befunde hat der Biochemiker Manuel Guzmán in Spanien die weltweit erste Studie an Menschen vorgenommen und die Resultate 2006 veröffentlicht.

Der Forscher von der Universidad Complutense in Madrid verabreichte neun schwerst kranken Krebspatienten, die an sehr aggressiven Hirntumoren litten, THC über einen Katheter direkt in das Gehirn. Zumindest bei einigen Teilnehmern verringerte sich daraufhin die Wachstumsrate der Tumore. Dabei traten dem Forscher zufolge kaum Nebenwirkungen auf. Guzmáns Veröffentlichung sorgte für Furore.

So wie die von Burkhard Hinz. Vor zwei Jahren brachte der Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universitätsmedizin Rostock mit Hilfe von Cannabinoiden Krebszellen im Laborversuch sozusagen zum Platzen. Damit ging auch die Debatte über die Heilkraft der Pflanze weiter. Der Pharmakologe bleibt aber vorsichtig: „In der Vergangenheit haben viele neue Antikrebsstrategien, die in präklinischen Untersuchungen hoffnungsvoll erschienen, den Sprung in die Klinik nicht geschafft, weil sie beim Menschen nicht die vermutete Wirkstärke zeigten“, sagt Hinz. In der Pflanze sieht der Forscher perspektivisch einen interessanten Kandidaten für die Behandlung von Krebs – aber nur eventuell. Denn wie Cannabinoide genau im menschlichen Organismus wirken, bleibe trotz Guzmáns Studie weiter offen.

Angesichts der mageren Datenlage könne man die Entwicklung schwer prognostizieren. „Fakt ist, dass Cannabinoide im Labor nicht nur einen, sondern mehrere Angriffspunkte innerhalb der Entwicklung und Ausbreitung von Tumoren haben“, sagt Hinz. Für den Pharmakologen bleibt die Erforschung der Substanzen weiter wichtig.

Trotz der Ungewissheit gibt es viele Krebspatienten, die Cannabis als Medizin ausprobieren wollen. „Man kann ihnen aber nicht sagen, kommen Sie in fünf bis 20 Jahren wieder, dann wissen wir mehr“, sagt Grotenhermen. Wenn jemand Cannabinoide ausprobieren will, verschreibt der Mediziner entsprechende Präparate. Allerdings nicht als hochkonzentriertes Cannabis- oder Hanf-Öl. Denn das ist, genauso wie der Anbau, Handel und Besitz von Cannabis, in Deutschland verboten.

Seit 2007 können Patienten mit einer Sondergenehmigung der Bundesopiumstelle getrocknete Blüten erwerben. Die werden geraucht, inhaliert oder oral eingenommen. Derzeit haben nach Angaben der Bundesregierung mehr als tausend Patienten eine Erlaubnis dafür. Weil Krankenkassen die Kosten in der Regel nicht tragen, kann eine solche Therapie auf Dauer teuer werden. Deshalb hat im Oktober erstmals ein Patient in Deutschland eine Zulassung bekommen, Hanf für den eigenen Gebrauch selbst anzubauen. Ende 2016 gab es zwei solche Lizenzen.

Was eher unbekannt ist: Auch ohne eine Sondergenehmigung dürfen Ärzte zumindest die Cannabiswirkstoffe als Fertigarzneimittel an ihre Patienten verschreiben. Und zwar in Form des Cannabisextraktes Sativex oder des Cannabiswirkstoffs Dronabinol. Die Arzneimittel werden vor allem bei spastischen Symptomen und Multipler Sklerose verschrieben, aber auch bei chronischen Schmerzen, Übelkeit und Appetitlosigkeit. Bei solchen Problemen ist Cannabis ein bewährtes Mittel.

Müdigkeit und Suchtgefahr
Doch wieso sind Mediziner trotzdem so zurückhaltend, wenn es um Cannabis als Medikament geht? „Die Ablehnung basiert in erster Linie auf Unsicherheit“, sagt Grotenhermen. „Für Onkologen ist die aktuelle Faktenlage zu den krebshemmenden Eigenschaften außerdem einfach noch zu lückenhaft.“ Zu viele Fragezeichen gebe es schon bei Details wie der Dosierung: „Es ist nicht klar, was das optimale Verhältnis von THC und CBD ist“, sagt der Mediziner. Ärzte wüssten auch nicht, wie lange man Patienten mit den Wirkstoffen behandeln müsste – geschweige denn, wie hilfreich das Ganze am Ende wirklich sei.

Experten sind zudem skeptisch, was den Hype um die Pflanze betrifft. „Cannabis wirkt nicht so toll, wie viele denken“, sagt Palliativmediziner Lukas Radbruch von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Die schmerzlindernde Wirkung von Cannabis sei nicht stärker als bei einem schwachen Opioid und helfe auch nicht jedem schwer kranken Patienten. Es gebe zwar Menschen, bei denen das psychoaktive THC gut wirke – etwa gegen Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit während einer Chemotherapie – doch vielen anderen Patienten würden andere Arzneien besser helfen. „THC macht müde und bewirkt, dass man seine Umwelt nicht mehr zu hundert Prozent wahrnimmt“, sagt Radbruch.

Wichtig sei zu wissen, dass es beispielsweise in den Niederlanden, wo der Anbau von Medizinalhanf erlaubt sei, hin und wieder zu Pilzbefall der Blüten komme. „Wenn man solches Cannabis raucht, kann das zu Lungenerkrankungen führen.“ Hanfblüten zu inhalieren berge eben auch Risiken, THC in Tropfen, Kapseln oder als Spray sei dagegen unbedenklicher. Außerdem gebe es individuelle Wirkungsunterschiede, auch die Suchtgefahr dürfe nicht unterschätzt werden. Der Palliativmediziner sieht in medizinischem Cannabis nicht mehr als ein Nischenprodukt, das nur für eine kleine Gruppe von Patienten wirklich geeignet ist.

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