Jan Elsner von der ACM hat mehrere Institutionen zum Thema Verschreibung von Cannabis und Budgetierung gefragt, darunter den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV).
In der internen Ärzte-Mailingliste der ACM wurde festgestellt, dass die Antworten recht vage sind. Regressforderungen an Ärzte werden oft erst Jahre nach der Verschreibung erhoben. Allerdings zeigen die Antworten auch, dass bei einer Behandlung mit Cannabismedikamenten, die ohne Alternative ist, kein Regress durch die Kassen zu erwarten ist. Man muss jede Verschreibung begründen können, wenn diese einer Wirtschaftlichkeitsprüfung standhalten soll.
Antwort der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)
Frage: Wie wird in Zukunft mit dieser Problematik (Medikamenten Budget/Cannabis) umgegangen?
Antwort: Diese Frage kann derzeit nicht abschließend beantwortet werden. Als Methode der Wirtschaftlichkeitsprüfung sah der Gesetzgeber bislang die Richtgrößenprüfung vor, bei der dem Arzt ein Richtgrößenvolumen zugeordnet wurde. Je nach prozentualer Überschreitung des Richtgrößenvolumens erfolgte eine Beratung oder die Wirtschaftlichkeitsprüfung mit Festsetzung eines Regresses, sofern die Überschreitung nicht durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt werden konnte. Der Gesetzgeber hat zum 1. Januar 2017 in der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Richtgrößenprüfung als Regelprüfart mit der Änderung des § 106 SGB V (siehe jetzt §§ 106, 106b und 106c SGB V) abgeschafft. Maßgeblich sind jetzt die in den Prüfvereinbarungen auf der jeweiligen Landesebene vorgesehenen Prüfmethoden. Diese können sehr unterschiedliche Aufgreifkriterien vorsehen, aufgrund derer ein Arzt in eine Wirtschaftlichkeitsprüfung kommen kann.
Ist die Verordnung von Cannabis, die ja bei Erstverordnung von der Kasse zu genehmigen ist, eine Sonderregelung oder belastet die Cannabis Verschreibung das reguläre Medikamentenbudget des verordnenden Arztes?
Wir gehen davon aus, dass die Kosten für Cannabisverordnungen den Kosten anderer Arzneimittelverordnungen des Arztes zugeordnet werden, die dann in ihrer Gesamtheit zu bewerten sein werden. Die Erfordernis einer Sonderregelung für Cannabis im Vergleich zu anderen kostenintensiven Arzneimitteltherapien ist abhängig von den regionalen Gegebenheiten und muss letztendlich von den regionalen Vertragspartnern (Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen) entschieden werden.
Frage: Welche Möglichkeiten hat der (Vertrags)Arzt eine Verordnung vorzunehmen ohne sein Budget zu belasten?
Antwort: Wir sehen derzeit keine Möglichkeit für den Arzt, Cannabisverordnungen zu tätigen, die dann nicht seinem Verordnungsvolumen Arzneimittel zugeordnet werden. Es sei denn, die regionalen Vereinbarungen sehen etwas anderes vor.
Frage: Was ist in Ihren Augen eine Begründete Ausnahme um die Kostenübernahme für eine Cannabis Verordnung abzulehnen?
Antwort: Hierzu können wir derzeit noch keine Aussagen treffen.
Antwort des den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV)
„Künftig wird ein niedergelassener Arzt Cannabis – wie andere Betäubungsmittel auch – über ein Betäubungsmittelrezept (BTM-Rezept) verordnen. Hier gelten dann die allgemeinen Vorgaben aus der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung für den Arzt. Sollten Sie dazu weitere Fragen haben, können Ihnen sicherlich ärztliche Institutionen wie Bundesärztekammer oder Kassenärztliche Bundesvereinigung helfen.
Des Weiteren wird eine solche Verordnung wie andere Rezepte auch in das Verschreibungsvolumen des Arztes eingehen. Bitte beachten Sie, dass es sich dabei nicht um ein unveränderliches Volumen handelt. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Das Volumen des einzelnen Arztes verändert sich entsprechend seinem Patientenaufkommen. Kommt es zu Auffälligkeitsprüfungen bei einem Arzt, der Cannabis verordnet, müsste der Arzt ggf. ein Abweichen seines Verordnungsvolumen (z. B. von regionalen Richtgrößen) wie bei anderen Fällen auch begründen. Im Unterschied zu anderen Betäubungsmitteln müsste er im Fall von Cannabis-Verordnungen nicht nur die entsprechenden Patientenzahlen anführen, sondern auch jeweils die Genehmigung durch die Krankenkasse vorzeigen. Wenn belegt werden kann, dass es sich im Einzelfall um eine schwerwiegende Erkrankung handelt, der Einsatz von Cannabis alternativlos ist, da andere Leistungen nicht zur Verfügung stehen resp. nicht in Frage kommen und es eine Aussicht auf Linderung gibt, wird die Krankenkasse eine solche Genehmigung ausstellen; mit ihrem Vorliegen gilt die Verordnung dann als wirtschaftlich. Andersherum: Liegen solche Gründe nicht vor, wird die Krankenkasse eine solche Genehmigung nicht erteilen können, eine Verordnung durch den Arzt wäre dann nicht möglich.
Konkrete Krankheitsbilder hat der Gesetzgeber nicht vorgegeben, sondern nur die oben genannten Kriterien. Für die Praxis bedeutet das, dass jeder Fall einzeln beurteilt werden muss. Sicherlich werden sich im Laufe der Zeit einige Krankheitsbilder herausarbeiten, bei denen es oft zum Einsatz von Cannabis kommen kann – davon unbenommen wird es für die Krankenkasse immer auf die Einschätzung des Einzelfalls ankommen.“
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