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Rechtliche Fragen und Antworten zum neuen Gesetz zu Cannabis als Medizin

Das neue Gesetz wirft für alle Beteiligten häufig rechtliche Fragen auf. Wir haben aus diesem Grund einige häufig auftauchende Fragen zusammengestellt und Dr. Oliver Tolmein, Rechtsanwalt aus Hamburg, der sich seit Jahren mit dieser Thematik befasst, gebeten, diese zu beantworten. Hier Auszüge aus einem Antrag auf eine einstweilige Anordnung vor einem Sozialgericht gegen die Ablehnung einer Kostenübernahme.

Regress und Richtgrößen

Frage: Mein FA Allgemeinmedizin unterstützt mich beim Antrag.
Er hat sich bei der KV-Hessen erkundigt, ob er Cannabis verschreiben darf. Diese sagte ihm: „Klar darfst du das, es geht nur in dein Budget“. Wir sind uns unsicher, ob die Zusage der KK auch bedeutet, dass bei einer Richtgrößenprüfung (dazu kommt es durch die Verordnung sicher, durch das Überschreiten des Praxisbudgets) auch die Leistung anerkannt wird. Mein Arzt ist sehr verunsichert. Auf Privatrezept wird er weiter verschreiben, aber ich bin ja gerade in der Sozialklage weil es mir zusteht.

Antwort: Die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Ärzte ist ein kompliziertes Verfahren, das dadurch zusätzlich schwierig wird, als die Überprüfungen und damit eventuell verbundene Regressforderungen oft erst nach Jahren zum Tragen kommen. Die wichtigste und strengste Überprüfungsart ist die Richtgrößenprüfung. Das Problem ist hier eine Abhängigkeit der Richtgrößenvereinbarungen von KV-Besonderheiten. Mit Blick auf Cannabis-Verordnungen ist es so, dass diese grundsätzlich in die Wirtschaftlichkeitsüberprüfungen einbezogen werden. Ärzte, die durch Verordnung von Cannabis als Medizin besonders hohe Ausgaben verursachen, müssen also, wollen sie dem Regress entgehen, eine Praxisbesonderheit geltend machen.
In der Praxis verhält es sich nun so, dass in einigen Prüfvereinbarungen insbesondere innovative, häufig kostspielige, aber dennoch wirtschaftliche Arzneitherapien in Anlagen aufgeführt sind, die automatisch als Praxisbesonderheit berücksichtigt werden sollen (sog. „Anlagen-Praxisbesonderheiten“). Dies gilt z. B. für die Interferon-Therapie der Multiplen Sklerose. Nach allgemeiner Ansicht handelt es sich dabei nicht um einen abschließenden Katalog von Praxisbesonderheiten. Noch nicht verbindlich geklärt ist aber, welche Art von Praxisbesonderheiten daneben Anerkennung finden muss. Cannabis ist keine Anlagen-Praxisbesonderheit. Hier müssen Ärzte also selber vortragen, was angesichts der Kritik der Kassen und der Skepsis auch der KV an der Verordnung von Cannabis als Medizin sicher nicht einfach werden wird, möglicherweise aber wegen des Genehmigungsverfahrens für Cannabis vor der Ausführung der Verordnung dennoch Chancen haben kann.
Die Begründung teurer Arzneiverordnungen als Praxisbesonderheit kann nicht für alle Praxisbesonderheiten pauschal erfolgen. Vielmehr ist sie im Hinblick auf die einzelne Praxisbesonderheit zu erstellen und dann für sämtliche dieser Fälle zu standardisieren. Soll z. B. Cannabis als innovatives Medikament als Praxisbesonderheit geltend gemacht werden, dann ist die Verordnung für sämtliche zur Praxisbesonderheit gehörenden Fälle zu dokumentieren. Dann muss der Vertragsarzt die bei dem individuellen Patienten die Wirtschaftlichkeit begründenden Umstände für jeden einzelnen Fall darlegen. Dies kann durch standardisierte Begründungen erfolgen, denen Kennziffern zugeordnet werden, z. B.:
– Verträglichkeit
– Kontraindikation (Diagnosen und Komedikation)
– Nebenwirkungen
– therapeutisch ausgereizt (second line, Therapie der zweiten Wahl)
– Fortführung stationärer Therapie
Das können die Gründe sein, die überhaupt für die Zulässigkeit der Verordnung entscheidend sind – aber wie gesagt: das sind Argumente, das ist keine geklärte Rechtslage (und kann es auch nicht sein).

Voraussetzungen für eine Therapie durch einen privatärztlichen Arzt

Frage: Wenn man nachweisen kann, dass man eine Anzahl von Psychiatern mit Kassenzulassung angesprochen hat, diese aber keine Zeit haben, die Therapie durchzuführen, dann kann man auch von einer gesetzlichen Krankenkasse die Behandlungskosten für einen privatärztlich tätigen Arzt erstattet bekommen. Wenn das im Bereich Cannabis als Medizin auch der Fall wäre, wäre das sicherlich für viele Patienten hilfreich, die jetzt bei privatärztlich tätigen Ärzten (Milz, Grotenhermen) in Behandlung sind. Dann stellt sich die Frage, wie viel Ärzte muss ein Patient wie intensiv konsultiert haben.

Antwort: Nach § 13 Abs 3 SGB V muss die Krankenkasse Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung erstatten, wenn „eine unaufschiebbare Leistung“ nicht rechtzeitig erbracht werden konnte – das könnte bei den psychiatrischen Behandlungen der Fall sein. Bei der Verordnung von Cannabis als Medizin liegt der Fall aber meines Erachtens anders, weil die konsultierten Ärzte ja nicht keine Leistung erbringen werden, sondern statt Cannabis eine andere Medikation oder Maßnahme ergreifen werden (oder wollen). Das wird insofern kaum als Fall der unaufschiebbaren Leistung, die nicht erbracht worden ist, anerkannt werden. Dass Gerichte, insbesondere das Bundessozialgericht, das anders sehen, halte ich für nahezu ausgeschlossen. Im Ergebnis: Cannabis wird von zugelassen Vertragsärzten verschrieben werden müssen.

Besteht unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin eine Notfallsituation?

Frage: Genauso würde mich die Frage interessieren, wie viel ein Patient unternehmen muss, wie etwa Klagen vor den Sozialgerichten, bevor er eventuell unter Notstandsgesichtspunkten vermutlich Cannabis selbst anbauen darf.

Antwort: Insbesondere wenn die Kassen das Gesetz so behandeln wie es sich derzeit abzeichnet, wird man auch weiterhin Notfall-Situationen haben können. Das Problem dabei ist aber: man wird erst versuchen müssen, die Sozialgerichte zu mobilisieren. Ein Szenario könnte meines Erachtens so aussehen:
Patientin hat eine Sondererlaubnis nach § 3 BtmG bekommen, Kassenärztin verordnet Cannabisblüten, Kasse lehnt ab, Eilantrag-Verfahren (Antrag auf einstweilige Anordnung der Kostenübernahme für Cannabis durch die Krankenkasse) vor dem Sozialgericht (1. Instanz) geht verloren, Beschwerde vor dem Landessozialgericht (2. und letzte Instanz im Eilverfahren) dringt nicht durch, Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht läuft (geschätzte Dauer 3 – 5 Jahre), dann wird gleichzeitig mit der endgültigen Ablehnung des Eilantrages bei den Sozialgerichten Antrag bei der Bundesopiumstelle gestellt auf Eigenanbau. Die lehnen ab oder lassen sich Zeit. Eilantrag beim Verwaltungsgericht Köln (Antrag auf einstweilige Anordnung der Genehmigung des Eigenanbaus von Cannabis) ….. Das Problem ist, dass hier das gleiche rechtliche Problem (Therapiealternativen, schwerwiegende Erkrankung) von zwei Gerichtsbarkeiten (Sozialgerichte und Verwaltungsgerichte) möglicherweise mit unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben geprüft werden muss (zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass nach Abschluss des Eilantrag-Weges vor den Sozialgerichten auch an einen Antrag auf einstweilige Anordnung – entweder auf Kostenübernahme oder auf Eigenanbau – vor dem BVerfG zu denken wäre…. => hier werden wir ggf. Musterverfahren führen müssen und das wird nicht ganz einfach).

Frage: Welche rechtlichen Möglichkeiten bieten sich Patienten, die zwar die rechtlichen und medizinischen Voraussetzungen für eine Behandlung mit Cannabis erfüllen, jedoch keinen Arzt (weder mit Kassenzulassung, noch privat-ärztlich) finden, der bereit ist diese Behandlung durchzuführen? Gibt es im oben genannten Fall die Möglichkeit über einen Antrag auf einstweilige Anordnung den Selbstanbau (oder eine andere sofortige Abhilfe) durch zu setzen?

Antwort: Eher Nein. Auch im gewonnenen Verfahren vor dem BVerwG kam es entscheidend darauf an, dass ein Arzt Cannabis als Therapie für erforderlich gehalten hat. Dass ein Patient für sich entscheidet: es geht nur mit Cannabis, reichte für den Eigenanbau schon bislang nicht aus und künftig erst recht nicht.

Kostenerstattung eines Privatrezeptes durch gesetzliche Krankenkasse

Frage: Darf ich als Kassenpatient mit privatem BtM-Rezept und vorab erteilter Genehmigung für die Therapie mit Cannabis durch die Krankenkasse, von einem Rechtsanspruch gegenüber der Krankenkasse auf volle Kostenübernahme des Privatrezeptes ausgehen?

Antwort: Nein. Die Fallkonstellation kommt mir auch theoretisch vor. Nach meiner Auslegung des § 31 Abs 6 SGB V prüft die KK „bei der ersten Verordnung“ ob die Genehmigung erteilt wird. Die erste Verordnung nach dem SGB V ist aber wohl als eine kassenärztliche Verordnung zu verstehen (es sei denn der Patient hat bei seiner gesetzlichen Versicherung Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V gewählt. Dann können auch Privatärzte nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Das Verfahren nach § 13 Abs 2 SGB V ist kompliziert und birgt Risiken in sich, weil die Kasse hier nicht die vollen Kosten erstattet, sondern nur die, die ihr selbst entstanden wären (nach Abzug von Rabatten etc.). (Das im Detail zu prüfen wäre eine eigene Aufgabe, ich nehme aber an, dass das nur für wenige Patienten ein guter Weg wäre, und vor allem führt er nicht zu dem, was wir ja eigentlich wollen: eine reguläre Kassenleistung Cannabis als Medizin).

Taktisches Vorgehen beim Kostenübernahmeantrag

Frage: Gibt es eine rechtliche Möglichkeit, die Genehmigungsverfahren bei der Krankenkasse effizienter zu betreiben und es den Kassen schwieriger zu machen, ‚die Zugangsschwelle zu erhöhen‘ (sprich Anträge auf interne Weisung im 1. Anlauf wenn irgendwie möglich abzulehnen und erst nach einem Widerspruch ernsthaft zu prüfen?). Wie baue ich hier als Patient mehr rechtlichen Druck auf und verhindere ‚ein Spiel auf Zeit‘ und erspare mir möglichst das Widerspruchsverfahren?

Antwort: Das kann man pauschal schwer sagen. Wichtig ist, dass die gesetzlichen Voraussetzungen von den Ärzten gut begründet werden. Dabei ist zu bedenken, dass es zwei Varianten für die Verordnung von Cannabis als Medizin im Gesetz gibt:
§ 31 Abs 6 Nr 1 a): Eine Krankheit, für die es eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung (überhaupt) nicht gibt => das heißt keine Behandlungsleitlinien, keine zugelassenen, allgemein anerkannten medikamentösen Therapien etc. (Das wird der seltenere Fall sein.)
§ 31 Abs 6 Nr. 1 b): Für die Krankheit gibt es zwar eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Therapie. Diese kann im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärzte unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der Versicherten nicht zur Anwendung kommen. (Das wird die häufiger vorkommende Konstellation sein.)
Hier hilft es enorm, wenn der Arzt folgendes beachtet/ darstellt:
– Hinweis auf die Verordnung nach § 31 Abs 6 Nr. 1 b SGB V (die Kassen begründen sonst ihre Ablehnung gerne damit, dass ein Fall des § 31 Abs 6 Nr. 1 a SGB V nicht vorliegt)
– Krankheitszustand beschreiben (wodurch schwerwiegend, wie sind die Auswirkungen, warum bzw. inwieweit wird die Belastung des Patienten dadurch erheblich herabgesetzt)
– Benennen welche Standardtherapie(n) versucht worden ist (sind)
– Benennen zu welchen Nebenwirkungen/ Komplikationen/ Unverträglichkeiten es dabei gekommen ist
– Und/oder: Warum sind vielleicht auch nicht so gravierende Nebenwirkungen angesichts der Krankheitszustandes (Labilität des Patienten durch langjährige schwere Erkrankung), sonstige psychische Komponenten, Vulnerabilität auf körperlicher Basis etc.) nicht zu tolerieren.
Im Fall der ersten Variante (§ 31 Abs 6 Nr. 1a ): Darstellung, dass es keine allgemein anerkannte Standardtherapie gibt, Erläuterung der Gründe warum Cannabis vermutlich hilft.

Optimales Vorgehen beim Widerspruch gegen eine Kostenablehnung durch die Krankenkasse

Frage: Im Falle des Widerspruchsverfahrens, wie formuliere ich einen möglichst effizienten Widerspruch, der mir alle Rechtsmittel offen hält und mir möglichst kurzfristig die Anwendung weiterer Rechtsmittel (einstweilige Anordnung) erlaubt?

Antwort: Einen Eilantrag (der formal korrekt Antrag auf einstweilige Anordnung heißt) kann man immer nach Ablehnung des Antrags durch die Krankenkasse zeitgleich mit Widerspruch gegen diesen ablehnenden Bescheid stellen. Meines Erachtens ist im Eilantrag-Fall, für den ja auch Prozesskostenhilfe beantragt werden kann, eine anwaltliche Vertretung sinnvoll. Hier sollte Wert auf eine umfassende und glaubhaft gemachte Darstellung der medizinischen Situation, der sozialen Folgen und der Schwere der Erkrankung gelegt werden. Außerdem muss dargestellt werden, dass es Eilbedarf gibt und man Cannabis nicht selbst bezahlen kann.

Frage: Gibt es eine Frist, wie lange sich die Kassen für die Entscheidung über einen Widerspruch Zeit lassen kann?

Antwort: Nach § 88 Abs 2 SGG: 3 Monate. Danach kann man Untätigkeitsklage erheben. Einen Eilantrag kann man aber bereits ab Ablehnung des Antrags durch die Krankenkasse bei Gericht stellen. Man muss also nicht das Ergebnis des Widerspruchsverfahrens abwarten (zumal Widerspruchsverfahren bei Krankenkassen ohnehin oft damit enden, dass der ablehnende Bescheid der ersten Instanz bestätigt wird).

Frage: Was sind typische rechtliche Formfehler (Einhaltung von Fristen und Formalitäten) der Kassen und des medizinischen Dienstes, welche das Verfahren für den Patienten rechtlich angreifbar machen? Welche Rechtsmittel sind hier geeignet?

Antwort: Formalitäten geben typischerweise nie Anlass die Entscheidung der Kassen aussichtsreich anzugreifen (der nichtige Verwaltungsakt ist anders als viele meinen, eine absolute Rarität. Selbst fehlende Begründungen können nachgeholt werden).
Anders sieht es mit Fristen aus. Hier ist § 13 Abs 3a SGB V einschlägig (bzw. für SAPV-Patienten: die 3 Tagesfrist aus § 31 Abs 6 SGB V)
§ 13 Abs 3a SGB V sieht vor:
– Antragseingang + 3 Wochen = Entscheidungsfrist Krankenkasse
– Eingang von Antrag, über den der MDK befinden muss + 5 Wochen = Entscheidungsfrist Krankenkasse (Versicherter muss über Einholung eines Gutachtens beim MDK informiert werden).
– Kann die KK eine der Fristen (3 Wochen, 5 Wochen) nicht einhalten muss sie das (vor Ablauf der Frist) mitteilen und Gründe darlegen.
– Erfolgt keine Mitteilung oder gibt es keine hinreichenden Gründe, gilt die Leistung als genehmigt. Rechtsfolge: Entweder der Betroffene beschafft sich Cannabismedikamente mit einem Privatrezept in der Apotheke selbst und bekommt Kosten erstattet oder die Krankenkasse muss die Sachleistung erbringen. Das muss dann aber in der Regel in einem gesonderten Verfahren eingeklagt werden. (z.B. BSG, Urteil vom 08. März 2016 – B 1 KR 25/15 R ; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 10. März 2017 – L 5 KR 141/17 ER –; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02. März 2017 – L 5 KR 277/16 => beim BSG anhängig)

Rechtmäßigkeit der Forderung nach Evidenz der Wirksamkeit von Cannabis bei einer bestimmten Erkrankung

Frage: Ist es rechtlich zulässig, dass Kassen in den Arztfragebögen teilweise Studien fordern und dieselben dann oft vom MDK nicht anerkannt werden, wenn doch der Arzt laut Gesetz entscheiden kann, ob er die Therapie für sinnvoll hält?

Antwort: Für die Genehmigung nach § 31 Abs 6 SGB V ist die Frage nicht unzulässig, aber die Antwort „Nein“ kann die Ablehnung der Genehmigung nicht (allein) begründen. Die Frage stammt aus der Genehmigung des Off-Label-Uses. Aber um den geht es in § 31 Abs 6 SGB V nicht – bzw. ist es eine gesetzlich gesondert geregelte Kostenübernahme im No-Label-Use, die nach § 31 Abs 6 Nr. 2 SGB V nur verlangt, dass „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.“ Die muss begründet werden. Das kann durch Studien geschehen (ist natürlich am günstigsten), aber eben auch durch andere Gründe (z.B. eine in diesem Sinne erfolgreiche Therapie vor In-Kraft-Treten von § 31 Abs 6 SGB V).

Wann liegt eine schwerwiegende Erkrankung vor?

Frage: Auch wird offenbar die Definition der „schwerwiegenden Erkrankung“ von den Kassen gerne zu Ungunsten der Patienten ausgelegt. So wird meines Wissens das Restless-Legs-Syndrom nicht als schwerwiegende Erkrankung anerkannt. Nicht nur Betroffene wissen, dass hier sehr wohl „eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die aufgrund der chronischen Erkrankung verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist“.

Antwort: Der Begriff der „schwerwiegenden Erkrankung“ ist durch den Gesetzgeber nicht definiert. Er wird allerdings in verschiedenen Regelungen verwendet und ist daher ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Auslegung von den Gerichten voll überprüfbar ist.

Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich, dass der Bezugsrahmen für den im § 31 Abs 6 SGB V verwendete Begriff der „schwerwiegenden Erkrankung“ § 62 SGB V ist. Im Referentenentwurf für das „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ des Bundesministeriums für Gesundheit mit Bearbeitungsstand vom 7.1.2016 16:11 Uhr heißt es in Artikel 4:

„Versicherte mit einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung (§ 62 Abs 1 Satz 8) haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten…“

Eine schwerwiegende chronische Krankheit liegt nach § 2 Abs. 2 der „Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 SGB V“ vor, „ […] wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung) und eines der folgenden Merkmale vorhanden ist […] b) es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 vor)[…] nach den Maßstäben des § 30 Abs. 1 BVG oder 65 Abs. 2 SGB VII festgestellt und zumindest auch durch die Krankheit nach S. 1 begründet sein muss.“

Hierzu ist anzumerken, dass der Gesetzgeber diese zunächst vorgesehene Regelung in § 31 Abs. 6 SGB V nicht weiter verfolgte, da den Betroffen nicht zugemutet werden sollte, mindestens ein Jahr abzuwarten, bis die entsprechende Medikation indiziert sei.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Begriff schwerwiegende Erkrankung im Kontext des, in vielerlei Hinsicht speziellen, § 31 Abs. 6 SGB V normspezifisch auszulegen ist. § 31 Abs. 6 SGB V trifft speziell in Hinblick auf das Medikament Cannabis eine abweichende Regelung von den für gewöhnlich nach dem SGB V anzulegenden Evidenzanforderungen.

Damit muss in der Auslegung des Begriffs der schwerwiegenden Erkrankung auch auf die spezifische Wirkung von Cannabis als Medizin abgestellt werden. Bei der Behandlung mit Cannabis steht dabei insbesondere die Linderung von Symptomen, welche – wie etwa die Schmerzen eines Antragstellers – die Lebensqualität erheblich einschränken, im Vordergrund.

„Schwerwiegende Erkrankung“ muss daher im Kontext des § 31 Abs. 6 SGB so ausgelegt werden, dass es vor allem um eine Einschränkung der Lebensqualität geht. Medizinisches Cannabis verbessert vordergründig die Lebensqualität der Patientinnen durch Verminderung der Symptome, beispielsweise von Schmerzen oder Appetitlosigkeit (so auch die Homepage des Bundesgesundheitsministeriums: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/c/cannabis/faq-cannabis-als-medizin.html#c1537; abgerufen am 22.04.2017 um 13:00 Uhr.) – damit ist vordergründig auf die Symptome abzustellen.

Dies wird auch durch den Gesetzeswortlaut und die Gesetzesbegründung deutlich, die eindeutig auf den Nutzen hinsichtlich der Symptome abstellen und nicht, wie insbesondere § 2 Abs 1a SGB V auf eine Heilung der Krankheit bzw. eine Einwirkung auf deren Verlauf (Bundestagsdrucksache 18/8965, S. 21 Abs. 3).

Aus dem Kontext des Gesetzesentwurfes wird zudem deutlich, dass der Gesetzgeber als Zielgruppe insbesondere auch die Patienten im Blick hatte, die bereits zum Zeitpunkt des Erlasses eine Sondergenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG inne hatten (Vgl.: Ausführungen zu den Kosten in Bundestagsdrucksache 18/8965 „Wird die am 5. April 2016 bestehende Zahl von Ausnahmeerlaubnissen des BfArM für 647 Patientinnen und Patienten zugrunde gelegt, ergäben sich Kosten für die GKV […]“ (S. 16, 5. Abs.); „Für Bürgerinnen und Bürger, die eine medizinische Therapie mit weiteren Cannabisarzneimitteln benötigen, entfällt zukünftig die bisherige eigene Kostentragung für getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte nach Maßgabe der zukünftigen Erstattungsregelungen des SGB V“ (S. 16, 6. Abs.). Diese Gruppe war Ende 2016 auf etwa 1000 Patienten angewachsen, die so unterschiedliche Krankheitsbilder wie schwere chronische Schmerzen, Depression, Darmerkrankungen, Spastiken, das Tourette-Syndrom oder Epilepsien aufwiesen.

Bei der Anhörung des Gesetzentwurfes im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages spielte zudem die Frage der Genehmigung einer Erstverordnung durch die gesetzlichen Krankenkassen eine wichtige Rolle. Einige Experten äußerten die Befürchtung, dass die Gesetzliche Krankenversicherung die Genehmigungserfordernis nutzen könnten, die geplante Regelung zu unterlaufen (vergleiche Wortprotokoll der 87. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit am 21. September 2016).

Der Gesetzgeber strich die Genehmigungserfordernisse zwar nicht, ergänzte den vorgelegten Wortlaut aber um die Regelung, dass eine ärztlich verordnete Behandlung mit medizinischem Cannabis nur abgelehnt werden darf, wenn ein begründeter Ausnahmefall vorliegt. Nach der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, soll durch den Abs. 6 S. 2 so „[…] die Versorgung von Versicherten mit schwerwiegenden Erkrankungen durch den Anspruch auf Cannabis nach S. 1 verbessert werden. Die Genehmigungsanträge bei der Erstversorgung der Leistung sind daher nur in begründeten Ausnahmefällen von der Krankenkasse abzulehnen. Damit wird auch der Bedeutung der Therapiehoheit des Vertragsarztes oder der Vertragsärztin Rechnung getragen.“ (Bundestagsdrucksache: 18/10902).

Übernahme der Kosten eines Verfahrens vor dem Sozialgericht

Frage: Wer trägt die Kosten für Cannabis, wenn ein Sozialgericht die vorläufige Kostenübernahme im Eilverfahren anordnet, im Hauptverfahren dann aber anders entscheidet?

Antwort: Das hängt vom Tenor der Entscheidung im Eilverfahren ab. Z.B. regelte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in einem neueren Verfahren:
„Die Antragsgegnerin wird bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren verpflichtet, die Kosten für die Therapie mit Cannabis-Extrakt-Tropfen ab dem 12. Mai 2015 vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Fall des Obsiegens im Hauptsacheverfahren zu übernehmen.“ (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. September 2015 – L 4 KR 276/15 B ER –)
=> Damit ist die Rückforderung möglich. Wenn der Vorbehalt nicht gemacht wird: nein. Das Risiko einer Rückforderung ist dennoch nicht groß, zum einen haben die meisten Patienten das Geld nicht, um den Rückforderungsanspruch zu befriedigen, zum anderen kann die Krankenkasse bei der Rückforderung viele Fehler machen.

Formfehler in der Ablehnung einer Kostenübernahme

Frage: Formfehler – Im Betreff des ablehnenden Bescheids steht: „Ihr Antrag auf Kostenübernahme für cannabishaltige Medikamente vom 15.03.2017.“ Mein Antrag war aber vom 17.02.2017. Ist dieser Bescheid rechtlich wirksam und beginnen damit Fristen zu laufen, wie z.B. die Widerspruchsfrist? Kann ich aus diesem Formfehler eine Genehmigungsfiktion ableiten?

Antwort: Schwer zu sagen: Ist es ein Schreibfehler (dann nein), oder geht die Gegnerin vom einem anderen Antrag aus (dann ja). Grundsätzlich eher: Nein. Das „Ja“ anzunehmen birgt jedenfalls ein hohes Risiko in sich. Wenn man zu Unrecht annimmt, die Genehmigungsfiktion sei eingetreten, steht man am Ende mit etwas Pech ohne Medikament da oder mit Kosten, die man doch selbst bezahlen muss.

Verhalten bei einer Genehmigungsfiktion

Frage: Was muss ich tun, wenn ich von einer Genehmigungsfiktion ausgehe?

Antwort: Entweder zur Apotheke gehen, das Rezept einreichen und Cannabis bekommen. (Problemlos)
Wenn das nicht klappt: Privatrezept besorgen: Cannabis kaufen. Einreichen und Erstattung verlangen. Das ist aber immer ein gewisses Risiko (wurden die Fristen richtig berechnet?)
Bei der Krankenkasse Sachleistung beantragen unter Verweis auf Genehmigungsfiktion (und die entsprechenden Urteile, die man auch als ständige Rechtsprechung bezeichnen kann: BSG, Urteil vom 08. März 2016 – B 1 KR 25/15 R ; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 10. März 2017 – L 5 KR 141/17 ER. Gegen eine evtl. erfolgende Ablehnung klagen. (Sicher, aber aufwändig und zeitraubend)

Übertragbarkeit der Genehmigung für verschiedene cannabisbasierte Medikamente und Blüten

Frage: „Dronabinol ist ein anderer Name für THC und ist in Cannabisblüten enthalten. Wird Dronabinol beantragt und genehmigt, kann wahlweise Dronabinol (Tropfen, Kapseln etc.) ODER Cannabisblüten verschrieben werden.“ Richtig oder Falsch?

Antwort: Meines Erachtens falsch. Dronabinol ist ein Rezeptur-Arzneimittel. Cannabisblüten sind Cannabisblüten. Da sich die Krankenkassen zudem vor allem gegen die Blüten-Verschreibungen wenden, ist es besonders kritisch wenn ein Dronabinol-Rezept in ein Cannabisblüten-Rezept umgedeutet wird. Meines Erachtens wird auch der Apotheker das nicht mitmachen.

Soll der Antrag auf Eigenanbau aufrechterhalten werden?

Frage: Derzeit frage ich mich, wie Ihr mit der Forderung des BfArM, den Antrag auf Eigenanbau zurück zu ziehen umgeht? Nachdem sich meine Arztsuche (Kassenarzt) als sehr schwierig gestaltet, möchte ich mich über den Anbau weiter selbst versorgen. Es erscheint mir als nicht sinnvoll, den Antrag zurück zu ziehen, da er mir als Nachweis meiner Bemühungen zur legalen Versorgung dient. Parallel sammele ich schriftliche Absagen, bezüglich der Behandlung mit Cannabis, von den ablehnenden Ärzten. Einen Antrag auf Kostenübernahme habe ich ebenfalls bei der BKK Daimler gestellt (MDK wurde eingeschaltet). Sie bestehen auf einen Kassenarzt und dessen Begleitung bzw. ein neues Attest. Ich habe das alte Attest (an die BfArM) von Dr. Grotenhermen (2013) eingereicht, einen formlosen Antrag gestellt und die Ausnahmegenehmigung eingereicht.
Antwort seitens BKK auf meinen Widerspruch zum benötigten Kassenarzt steht noch aus. Dr. Grotenhermen hat mir geraten den Widerspruch damit zu belegen, dass ich der Antragsteller bin und nicht zwingend einen Kassenarzt für die Sache brauche. Ist dies ausreichend?

Antwort: Den Antrag auf Eigenanbau nicht zurückzuziehen, wenn keine Alternativversorgung da ist, kann sinnvoll sein. Aber meines Erachtens bringt es eher wenig bis nichts, denn die Rechtslage hat sich durch die Einführung von § 31 Abs 6 SGB V geändert und man braucht deswegen eigentlich ein neues Verfahren. In dem kann es schwierig sein, wenn es keinen Kassenarzt gibt, der Cannabis verschreibt (siehe Szenarien oben).
Kostenübernahme durch Kasse braucht ein Kassenrezept. Ob man zwingend einen Kassenarzt braucht, um die Genehmigung für die Kostenübernahme zu erhalten, die der Kostenübernahme für das Rezept vorgeschaltet ist, klärt das Gesetz nicht ausdrücklich. Grundsätzlich sollte es nicht ausgeschlossen sein, denn ob die Voraussetzungen für die Genehmigung der Cannabis-Verordnung vorliegen, kann natürlich auch ein Arzt klären, der nicht Vertragsarzt ist. Aber darüber könnten die Krankenkassen eventuell streiten, und wie es Sozialgerichte beurteilen, erscheint mir unsicher. Deswegen ist es vorzugswürdig und an sich sinnvoll von vornherein zu versuchen, einen Kassenarzt dabei zu haben.

Wann ist die Einschaltung des MDK zulässig und kann es gemacht werden, ohne es zu begründen?

Frage: Im Gesetz steht eine Frist von 3 Wochen und 5 Wochen mit MDK. Ich würde gerne klären lassen, ob für Ausnahmegenehmigungsinhaber die Einschaltung des MDK überhaupt zulässig ist. Die Ärzte der BfArM haben ja zuvor schon nach viel engeren Gesichtspunkten geprüft, ob der Ausnahmegenehmigungsinhaber berechtigt ist. Somit wäre fraglich, ob die Kasse ohne Angabe eines triftigen Grundes (also z.B. widersprüchliche Dokumente, die im Genehmigungsverfahren eingereicht wurden) überhaupt den MDK einschalten muss oder sie hierbei schon den Ermessensspielraum außeracht lässt. Die Kasse soll darüber hinaus nach § 31 Abs. 6 nur im Ausnahmefall ablehnen dürfen. Die Frage ist, ab wann die Einschaltung des MDK überhaupt notwendig ist.

Antwort: Die Einschaltung des MDK ist in § 275 SGB V geregelt. Grundsätzlich kann die Krankenkasse den MDK einschalten, wenn sie es für sinnvoll hält. Dagegen können sich Versicherte nicht wehren. Allerdings kann man anbringen, dass die Einschaltung des MDK anders als die Krankenkasse behauptet, in Fällen des § 31 Abs 6 SGB V nicht zwingend erforderlich ist. Es handelt sich nicht um einen Fall des § 275 Abs 2 MDK (dort sind Fälle geregelt in denen der MDK eingeschaltet werden muss).

Frage: Auch wäre interessant zu wissen ob die bloße Einschaltung des MDK (ohne Nennung warum der MDK überhaupt eingeschaltet wurde) überhaupt ein triftiger Grund ist um die 3-Wochenfrist zu überschreiten oder die Kasse die Einschaltung des MDK in Hinblick auf § 13 Abs. 3a SGB V Ihre Bedenken nicht ein wenig genauer gegenüber den Antragsteller äußern müsste. Also die dem Antragsteller die Grundlage warum der MDK eingeschaltet wurde, hätte mitteilen müssen.

Antwort: Die Krankenkasse muss nicht begründen, warum sie den MDK einschaltet. Der Hinweis auf Einschaltung des MDK reicht aus.

Musterbeispiel für ein Vorgehen

Folgenden Musterfall würde ich gerne rechtlich genauer betrachten:

Frage: Patient/Patientin erfüllt die rechtlichen und medizinischen Voraussetzungen laut Gesetz (hier ist noch Raum in der Rechtsauslegung durch die Gerichte!).

Antwort: Ja hier ist Platz, weil es viele unbestimmte Rechtsbegriffe gibt, die ausgelegt werden müssen: „schwerwiegende Erkrankung“, „allgemein anerkannte , dem medizinischen Standard entsprechende Leistung“, „begründete Einschätzung“, „nicht ganz entfernt liegende Aussicht“, „spürbar positive Auswirkung“ etc. pp.

Frage: Patient/Patientin hat die erfolglose Suche nach einem Kassenarzt dokumentiert (kurze Liste mit Name, Telefonnummer, Anrufdatum und Ergebnis, 5-10 lokale Ärzte im Zeitraum von 7-14 Tagen kontaktiert, keine Behandlung möglich).

Antwort: Terminservicestelle der kassenärztlichen Bundesvereinigung in Anspruch genommen? Es reicht nicht, die Ärzte gefragt zu haben: verordnen Sie mir Cannabis….? Die Therapiefreiheit des Arztes gilt auch hier: er darf sich und muss sich sogar ein eigenes Bild von den Behandlungsmöglichkeiten machen…..

Frage: Patient/Patientin stellt selbst, ohne Unterstützung eines Arztes, den Antrag bei der Krankenkasse, um sich, nach der von der Kasse erteilten Genehmigung, privat-ärztlich zu behandeln lassen, sich das Arzthonorar im Kostenerstattungsverfahren (§ 13 Absatz 3 SGB V) erstatten zu lassen und die privaten BtM-Rezepte zur Erstattung bei der Krankenkasse einzureichen.

Antwort: Das wird die Kasse nicht machen. Das Gesetz verlangt: Genehmigung „bei der ersten Verordnung“ – ohne erste Verordnung keine Genehmigung (evtl. reicht auch Ankündigung der Verordnung durch einen Kassenarzt), aber Krankenkasse kann nicht selbst in die Therapie einsteigen und ohne Stellungnahme eines Behandlers beurteilen, ob die entsprechenden Voraussetzungen zur Behandlung mit Cannabis vorliegen oder nicht. Etwas anderes wäre es, wenn ein bereits behandelnder Nicht-Vertragsarzt, also ein Privatarzt, auf Bitten des Patienten/ der Patientin die entsprechenden Voraussetzungen bestätigt und sich hier für den Patienten und dessen Antrag einsetzt,

Frage: Antrag wird abgelehnt oder Fristen überschritten, Patient/Patientin geht zum lokalen Sozialgericht und beantragt dort persönlich einstweiligen Rechtsschutz.

Antwort: In der Konstellation ohne eine ärztliche Befürwortung der Cannabis-Behandlung meines Erachtens aussichtslos. Wenn allerdings die Genehmigungsfiktionen eingetreten sein sollte (Fristen überschritten) könnte das günstiger aussehen.

Frage: Patient/Patientin legt im Sozialgericht den gesamten Schriftverkehr mit der Kasse, seine medizinischen Unterlagen und die Dokumentation der vergeblichen Arztsuche vor.

Antwort: s.o.

Frage: Patient/Patientin gibt im lokalen Sozialgericht mündlich zu Protokoll:
„Die Ablehnung der Kostenübernahme für eine Therapie mit Cannabis bzw.
Cannabinoiden nach § 31 Abs. 6 SGB V durch die Krankenkasse verletzt mein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erheblich. Ich versichere hiermit an Eides Statt, dass mir aufgrund folgender schwerwiegender Symptome keine weitere Wartezeit zumutbar ist: (Hier einfügen: individuelle Symptome, welche ohne Medikation auftreten, auf medizinische Unterlagen verweisen – es darf kein Zweifel an der Hilfebedürftigkeit bestehen!).
Falls nicht unmittelbar Abhilfe geschaffen wird, werde ich durch den mir entstehenden gesundheitlichen Schaden nicht mehr imstande sein, meine übrigen Grundrechtsgewährleistungen wahr zu nehmen. Ich befinde mich durch diese Rechtsverletzung in einer Notlage, aus der ich mich selbst nicht befreien kann und sehe hierdurch meine Menschenwürde nach Art. 1 GG verletzt. Daher stelle ich hiermit den Antrag auf Erlass einer einstweilige Anordnung zur Verpflichtung der Krankenkasse auf Kostenübernahme für eine Therapie mit Cannabis bzw. Cannabinoiden nach § 31 Abs. 6 SGB V.“

Antwort: Wie gesagt: Das System der gesetzlichen Krankenversicherungen setzt Verordnung voraus, wenn Ärzte andere Therapieoptionen sehen bzw. kein KV-Arzt Cannabis verordnet, ist dieser Zweig ausgereizt. Dann wäre allenfalls auf Eigenanbau Antrag umzusteigen – mit den oben beschriebenen Problemen.
Die Antworten stammen von Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein, Fachanwalt für Medizinrecht, Kanzlei Menschen und Rechte Hamburg

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