Das Hessische Landessozialgericht hat geurteilt, dass nur schwerkranke Patienten einen Anspruch auf eine Kostenübernahme von Cannabismedikamenten durch die Krankenkassen haben. Dabei wird die Messlatte für das Vorliegen einer schweren Erkrankung hoch gelegt.
Kein Recht auf Cannabis
Zwei Wiesbadener Patienten unterliegen im Streit mit Krankenkassen um die Kostenübernahme von Cannabis. Richter des Landessozialgerichts geben in beiden Fällen den Versicherungen Recht.
Vor die Vergabe von Cannabis auf Krankenschein hat der Gesetzgeber hohe Hürden gestellt. Das geht aus am Donnerstag veröffentlichten Beschlüssen des Landessozialgerichts hervor. In zwei Verfahren gaben die Richter den Krankenkassen recht, die die Kosten nicht übernehmen wollen.
Im dritten hatte ein Bauchspeicheldrüsen-Patient Erfolg. Seine schwerwiegenden chronischen Bauchschmerzen darf er mit einem zugelassenen Cannabis-Mundspray auf Krankenschein lindern. „Vorläufig“, wie es in dem Urteil heißt. „Eine jahrelange Morphiumgabe in höherer Dosis und die zusätzliche Gabe von Novalgin könnten diese nur leicht mindern.“
Als sich im März die Rechtslage änderte, schöpften viele chronisch Kranke Hoffnung. Manche scheiterten schon bei ihrem Arzt. Andere bekamen zwar ein Rezept, müssen die Kosten für das Cannabis-Medikament aber selbst tragen. Denn die Krankenkassen sind angewiesen, sich an Recht und Gesetz zu halten. Und das tun sie,
Cannabis-Mundspray für MS-Patienten
MS-Patienten zum Beispiel bekommen jetzt gegen Spastiken und Schmerzen ein Cannabis-Mundspray verschrieben. Das wirke gut, sagt Monika Dettke vom Landesverband Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft der Frankfurter Rundschau. Es schmecke nur nicht besonders. Von Ärger wegen der Kostenübernahme sei ihr nichts bekannt: „Bei uns ist das nicht als Problem gelandet.“
Anders erging es den beiden Wiesbadenern, die vor dem Landessozialgericht scheiterten. Der eine hatte gegen seine Fibromyalgie Medizinal-Cannabisblüten verschrieben bekommen, der andere aufgrund eines Schmerzsyndroms. Beim ersten begründete die Krankenkasse ihr Nein mit der fehlenden Dokumentation schwerwiegender Symptome; zudem mangele es an Indizien dafür, dass Cannabis den Krankheitsverlauf positiv beeinflusse. Dem anderen Patienten zahlte sie das Medikament mit dem Argument nicht, er habe keine schwerwiegende Erkrankung.
In beiden Fällen entschieden die Krankenkassen nach Ansicht der Darmstädter Richter richtig. Anspruchsvoraussetzung sei eine vom Arzt bestätigte schwerwiegende Erkrankung. Das könne ein fortgeschrittener Tumor sein, ein Restless-Legs-Syndrom, MS mit massiven Schlafstörungen oder eine schwere Neurodermitis. „Der bloße Verweis auf ein Schmerzsyndrom genügt nicht.“ Auch hätten die betroffenen Versicherten nicht glaubhaft gemacht, dass eine anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe.
Die beiden Wiesbadener sind kein Einzelfall. Das zeigt eine Anfrage bei der AOK-Hessen. Bis zu 50 Anträge auf Kostenübernahme gehen dort monatlich ein. Patient und Arzt müssen sie gemeinsam stellen. Nahezu jeder werde vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung gesichtet und beurteilt. „Etwa ein Drittel wird sofort genehmigt“, sagt Sprecher Riyad Salhi. Die anderen erfüllten die gesetzlich Vorgaben nicht oder seien zumindest nicht ausreichend und nachvollziehbar dokumentiert.
Wie hoch die Kosten für eine Cannabis-Therapie sind, hängt laut AOK von der stark variierenden Dosierung und der Dauer ab. „Wir befinden uns hier monatlich sicherlich im dreistelligen Bereich pro Patient.“