Bei der Versorgung der Bevölkerung mit Cannabis-Medikamenten hakt es. Wir sehen viel Licht, aber auch viel Schatten. Aus Patientensicht ist es oft frustrierend, von ihren Ärzten abgewiesen zu werden, aus mangelnder medizinischer Kenntnis, aufgrund des bürokratischen Aufwandes oder wegen der Angst vor einem Regress.
Schreiben des SCM an die Ärztekammern
Sehr geehrte Damen und Herren.
In unserer Eigenschaft als Sprecher des SCM, Selbsthilfenetzwerk-Cannabis-Medizin, einem Zusammenschluss von Patienten innerhalb der Arbeitsgemeinschaft-Cannabis-Medizin, möchten wir Sie ersuchen zu folgendem Problem Stellung zu beziehen:
Sehr viele Patienten mit schweren Erkrankungen, auch solche Patienten die vor dem neuen Gesetz, das die Verschreibungsfähigkeit und Kostenübernahme für Cannabis-Medikamente regelt, eine sogenannte Ausnahmeerlaubnis des BfArM – und überdies eine Kostenübernahme-Zusage ihrer jeweiligen Krankenkasse innehatten, finden bis dato keinen Arzt, der bereit wäre, Cannabis zu verschreiben.
Hierbei handelt es sich beileibe nicht um wenige oder bloß vereinzelte Mediziner-Entscheidungen sondern der Großteil aller Ärzte und medizinischen Zentren haben deutlich gemacht, grundsätzlich keinerlei Cannabis-Medikamente zu verordnen.
In diversen Antwortschreiben des BfArM an von diesem Umstand betroffene Patienten heißt es wörtlich:
„Zudem machen wir darauf aufmerksam, dass die Zulassung als Vertragsarzt nach § 95 Absatz 3 Satz 1 SGB V für Ärztinnen und Ärzte das Recht, aber auch die Pflicht begründen dürfte, an der kassenärztlichen Versorgung teilzunehmen. Ärztinnen und Ärzte, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, dürften eine Behandlung nicht ohne weiteres verweigern können. Vielmehr dürfen Vertragsärzte Patientinnen und Patienten nur aus triftigen Gründen ablehnen. Wird eine Behandlung aus nicht triftigen Gründen verweigert, kann die Ärztekammer aufgerufen sein.“
Wir bitten Sie freundlich mitzuteilen, ob diese Aussage des Bundesinstituts so korrekt ist und welche Handlungsoptionen betroffenen Patienten, die von Cannabinoiden gesundheitlich profitieren, zur Verfügung stehen, um ihr Recht auf Behandlung durchzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Gebhardt, Axel Junker
Selbsthilfenetzwerk-Cannabis-Medizin
c/o ACM
Am Mildenweg 6
59602 Rüthen
Antwort der Bundesärztekammer
Sehr geehrte Frau Gebhardt, sehr geehrter Herr Junker,
herzlichen Dank für Ihre Mail vom 3. August d.J. Die darin von Ihnen vorgetragene Einschätzung, dass der „Großteil aller Ärzte und medizinischen Zentren deutlich gemacht“ hätte, „grundsätzlich keinerlei Cannabis-Medikamente zu verordnen“, können wir hingegen aus unserer Wahrnehmung nicht teilen.
Hinweisen möchten wir z.B. darauf, dass die Landesärztekammern seit Inkrafttreten der Gesetzesänderung im März 2017 vielfältige Fortbildungsangebote aufgebaut haben, um Ärztinnen und Ärzte für die Verordnung von Cannabis-Blüten und Arzneimitteln bei schwerwiegenden Erkrankungen zu qualifizieren. Allein für den Zeitraum von August bis Dezember 2018 sind im Fortbildungsportal der Bundesärztekammer über 10 cannabisbezogene Fortbildungs-Veranstaltungen der Landesärztekammern ausgewiesen. Weitere Fortbildungsangebote sind über die relevanten Fachgesellschaften verfügbar.
Darüber hinaus hat die Bundesärztekammer unmittelbar nach der Gesetzesänderung auf ihrer Homepage eine FAQ-Liste für Ärztinnen und Ärzte zu den neuen Verordnungsmöglichkeiten erstellt (https://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/versorgung/ambulant/cannabis/) und am 27. November letzten Jahres eine Informationsveranstaltung für die Landesärztekammern zur Thematik durchgeführt.
Des weiteren hat das Deutschen Ärzteblatt, das wöchentlich alle Ärztinnen und Ärzte in Deutschland erreicht, mehrfach Artikel zu dem Thema publiziert
(siehe u.a.: Häuser W et al.: Cannabinoide in der Schmerz- und Palliativmedizin – Eine Übersicht systematischer Reviews und prospektiver Beobachtungsstudien. In: Dtsch Arztebl Int 2017; 114(38): 627-34; DOI: 10.3238/arztebl.2017.0627;
Müller-Vahl, Kirsten; Grotenhermen, Franjo: Medizinisches Cannabis: Die wichtigsten Änderungen. In: Dtsch Arztebl 2017; 114(8): A-352 / B-306 / C-300).
Zudem erarbeitet die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) derzeit eine Praxisleitlinie „Cannabis in der Schmerztherapie“. Bislang fehlt es jedoch für den deutschsprachigen Raum an wissenschaftlich abgesicherten Behandlungsleitlinien zum medizinischen Einsatz von Cannabis.
Allerdings ist auch darauf hinzuweisen, dass das Gesetz die Verordnung nur für schwerwiegende Erkrankungen vorsieht und die Datenlage zur Wirksamkeit von Cannabis-Arzneimitteln für die meisten Indikationsgebiete weiterhin sehr begrenzt ist. Es ist daher zu vermuten, dass diese Aspekte mit in die ärztliche Therapieentscheidung einfließen. Offensichtlich entsprechen die öffentlichen Erwartungen zur Wirksamkeit von Cannabis-Blüten und Arzneimitteln oftmals nicht dem tatsächlichem, in Studien abgebildeten Nutzen, wodurch sich ein Teil der von Ihnen zitierten Beschwerden erklären mag.
Seitens verordnender Ärzte wird uns hingegen wiederholt über den umfänglichen Begründungsaufwand gegenüber den Krankenkassen und deren Ablehnungspraxis berichtet, woraus wir durchaus ein großes Bemühen der Ärzteschaft ableiten, den neuen Verordnungsmöglichkeiten gerecht zu werden.
In diesem Sinne verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
i. A. Dr. rer. medic. XY
Bereichsleiter im Dezernat 1
– Versorgung und Bevölkerungsmedizin –
Bundesärztekammer
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin
Fon +49 30 400 456 – 413
Fax +49 30 400 456 – 378
E-Mail :
www.bundesaerztekammer.de