Die Frankfurter Rundschau berichtet über die Wohnungsdurchsuchung bei einer Patientin, die Cannabis für eigene medizinische Zwecke selbst angebaut hat.
Kritik an Großeinsatz bei Cannabispatientin
Wer Magda Sebelka in ihrer Wohnung in der Offenbacher Innenstadt besucht, der passiert eine Tür, die von der Polizei aufgebrochen wurde – die Spuren der Werkzeuge sind noch deutlich zu erkennen, der silbrige Türknauf ist verbogen. Ohne zu klingeln seien eines Sommermorgens um etwa sieben Uhr zwölf Beamte des Fahndungs- und des Rauschgiftkommissariats in ihren Flur gestürmt, erzählt Sebelka – teils in „schwarzer Kampfmontur“ und mit gezogenen Waffen.
Die Spuren an Sebelkas Wohnungstür illustrieren die Härte, mit der die Staatsgewalt weiterhin gegen Menschen vorgeht, die Cannabis konsumieren und für den Eigenbedarf anbauen – während das immer mehr Länder dekriminalisieren oder erlauben. Bei Sebelka ging es wohl vor allem um die selbst gezüchteten Pflanzen. So berichtet es die 34-Jährige, die an Epilepsie, ADHS und Asthma leidet: Cannabis, erzählt sie, sei das Einzige, was bei ihr ohne spürbare Nebenwirkungen helfe. Mit konventionellen Arzneimitteln hat Sebelka schlechte Erfahrungen gemacht. „Klassische“ Antiepileptika meidet sie, weil diese womöglich fruchtschädigend seien. Ein Risiko, dass die Frau, die 2017 eine Tochter geboren hat und weitere Kinder bekommen möchte, nicht eingehen will. Ebenfalls 2017 hat sie auch eine Tochter wegen einer erblichen Krankheit verloren.
Der Landtagsabgeordnete Hermann Schaus von der Linken hat zum Fall Sebelka im September eine Kleine Anfrage gestellt. Jetzt liegt die Antwort des hessischen Innenministers Peter Beuth (CDU) vor: Dieser rechtfertigt das Vorgehen der Polizei im Juni sowie bei einer ersten Aktion im März. Ein „konsequentes Vorgehen mit dem gewählten Kräfteeinsatz“, so Beuth, sei „zum Erreichen des Einsatzzweckes und zum Schutz“ der eingesetzten Beamten erforderlich gewesen – weil Sebelkas Widerstand „massiv“ gewesen sei. Zum massiven Auftreten der Polizei schreibt Beuth: „Aus Gründen der Eigensicherung trugen die Vollzugsbeamten ihre dienstlich zugewiesene Schutzausstattung.“
Sebelka bestreitet, dass sie Widerstand geleistet habe. Sie habe allerdings eine Beamtin gebissen, als diese sie mit einem „Griff in den Mund“ daran hindern wollte, ihre Cannabis-Medizin zu nehmen. Eine hinzugerufene Ärztin habe es ihr dann erlaubt. Sebelka krisitisiert außerdem, dass auch gegen ihren Mann ermittelt werde.
Hermann Schaus bleibt auch nach Beuths Antwort der Auffassung, dass keine nachvollziehbare Begründung für die „völlig überzogene Reaktion der Polizei“ vorliege. „So ein Vorgehen muss von einer besonderen Gefahrensituation gerechtfertigt sein und das ist in diesem Fall nicht ausreichend dargelegt worden seitens des Ministers“, sagte Schaus der FR. Bei der Darmstädter Staatsanwaltschaft heißt es: „Die Ermittlungen in dieser Sache dauern an, so dass wir uns zum jetzigen Zeitpunkt noch kein abschließendes Bild von der Beweislage und den Aussagen der beteiligten Personen gemacht haben.“ Gegen Sebelka laufen mehrere Verfahren, erzählt sie.
Die Patientin, die von ihrem Arzt Rezepte für Cannabisblüten ausgestellt bekommt, ist längst zur Aktivistin geworden: Im Internet wirbt sie offen für die Legalisierung der Droge, sie nimmt an Podiumsdiskussionen zum Thema teil und engagiert sich drogenpolitisch bei der Linken. Und sie hat ihre Krankenkasse verklagt, weil diese ihr die Kostenübernahme der Cannabis-Rezepte verweigere. Sebelka kritisiert, dass sich ihre Situation seit 2017, als die Möglichkeiten zur Verschreibung von Cannabisarzneimitteln erweitert wurden, verschlechtert habe. So hatte sie bereits vorher die Erlaubnis, Cannabisblüten zu verwenden. Seit 2017 aber sei der Preis für das medizinische Cannabis von etwa zwölf auf bis zu 25 EURo pro Gramm gestiegen – wegen der fehlenden Kostenübernahme müsste sie also theoretisch 3000 EURo im Monat für ihre Medizin aufbringen. Deshalb hatte sie den Eigenanbau gestartet. In den Niederlanden hingegen erhalte sie ein Gramm für sechs EURo, erzählt Sebelka. Sie überlegt daher, mit der Familie dorthin auszuwandern. An ihre Medizin zu kommen, sei in Deutschland „richtiger Stress“.