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Presseschau: Verändern schon wenige Joints das Gehirn? (Ärzte Zeitung)

Die Ärzte Zeitung berichtet über ein umstrittenes Forschungsergebnis, nachdem bereits ein bis zwei Cannabiszigaretten bei Jugendlichen zu dauerhaften Veränderungen des Gehirns führen könnten. Allerdings ist fraglich, ob hier ein ursächlicher Zusammenhang besteht.

Verändern schon wenige Joints das Gehirn?

Bei Jugendlichen, die nur ein bis zwei Mal Cannabis geraucht haben, sind Hirnveränderungen entdeckt worden. Diese könnten eine Angststörung oder Sucht begünstigen. Ob die Veränderungen durch Cannabis verursacht werden, ist aber unklar.

Bei Hirnscans von Cannabis rauchenden Jugendlichen sind Abweichungen entdeckt worden. Ob die Veränderungen durch Cannabis verursacht werden, ist aber unklar.

Inzwischen gibt es reichlich Hinweise aus Tierexperimenten, wonach schon geringe Mengen Cannabis die Hirnentwicklung stören und Verhaltensauffälligkeiten begünstigen.

So wird vermutet, dass die Droge die endogene Cannabinioid-Neurotransmission in Strukturen wie Amygdala, Hippocampus, Striatum und Kleinhirn durcheinanderbringt – in solchen Strukturen wurden häufig veränderte Volumina der grauen Substanz bei Cannabiskonsumenten beobachtet.

Allerdings lassen sich diese Veränderungen bei Menschen nicht immer klar auf den Cannabiskonsum zurückführen, da Drogenkonsumenten häufig unterschiedliche legale und illegale Rausch- und Suchtmittel zu sich nehmen.

Zudem kann eine reverse Kausalität bestehen: So greifen Menschen mit bestimmten Hirnveränderungen oder einem hohen Risiko für psychische Störungen vielleicht eher zu Suchtmitteln als andere.

Bekannt ist der hohe Raucheranteil unter psychisch Kranken. Niemand geht jedoch davon aus, dass Rauchen psychisch krank macht, es wird eher angenommen, dass psychisch Kranke über den Nikotinkonsum Stress abbauen. Ähnliches könnte natürlich auch für Cannabis gelten. Insofern sind Assoziationen mit Hirnveränderungen und bestimmten Drogen immer mit Vorsicht zu betrachten.

Zeitliche Abfolge unklar
Eine EURopäische Studie mit großer deutscher Beteiligung kann nun jedoch ausschließen, dass die Hirnveränderungen dem Cannabiskonsum bei Jugendlichen vorausgehen: In einer Kohorte von 16-Jährigen fanden Forscher in Hirnscans Abweichungen bei neuen Cannabiskonsumenten, die bei einem Scan zwei Jahre zuvor noch nicht erkennbar waren.

Dies beweist zwar noch immer nicht, dass die Veränderungen durch den Cannabiskonsum verursacht wurden – möglich ist auch ein starkes Stressereignis, das sowohl Hirnvolumenveränderungen als auch den Wunsch nach Cannabis fördert. Es verstärkt aber Befürchtungen, wonach Cannabis für die sich verändernden Gehirne von Jugendlichen besonders gefährlich sein könnte.

In einer Zeit, in der die Droge zunehmend legalisiert wird, wäre es daher wichtig, die Risiken genau zu kennen, geben Forscher um Dr. Catherine Orr von der Universität in Burlington, USA, zu bedenken (J Neurosci 2019, 3375-17).

Für ihre Untersuchung konnten die Forscher Teilnehmer des EURopäischen IMAGEN-Projekts gewinnen, die in Befragungen einen Cannabiskonsum zugegeben hatten.

Für das Projekt werden rund 2400 junge Menschen seit ihrem 14. Lebensjahr regelmäßig untersucht, unter anderem über Hirnscans, Kognitions- und Verhaltenstests, Fragebögen zum Lebensstil sowie Blut- und Genanalysen. Damit wollen Forscher die Hirnentwicklung im Jugendalter besser verstehen. Befragt werden die Teilnehmer auch nach ihrem Drogenkonsum. Vier der acht Studienzentren liegen in Deutschland.

In einer ersten Analyse hatten die Forscher Daten von 46 Jugendlichen ausgewertet, die bei der ersten Befragung im Alter von 14 Jahren einen geringen Cannabiskonsum zugegeben hatten – sie hatten die Droge nach eigenen Angaben höchstens ein- oder zweimal probiert. Alle gaben zudem an, bislang keine weiteren illegalen Drogen genommen zu haben.

Höheres Volumen der grauen Substanz
Die Forscher um Orr verglichen nun die Hirnscans dieser Jugendlichen mit denen von Teilnehmern ohne Konsum illegaler Drogen. Dabei achteten sie darauf, dass möglichst alle anderen Faktoren wie Alter, Pubertätsstadium, Geschlecht, IQ, Alkohol- und Tabakkonsum oder sozioökonomischer Status übereinstimmten.

Letztlich fanden sie bei den Jugendlichen mit Cannabiskonsum ein höheres Volumen der grauen Substanz in temporalen Regionen wie Hippocampus, Amygdala und Striatum sowie im linken mittleren Gyrus temporalis.

Solche Veränderungen gingen in den Kognitions- und Verhaltenstests mit einem erhöhten Risikoverhalten, stärkeren Ängsten, einer psychomotorischen Verlangsamung sowie Defiziten beim logischen Denken einher. Auch wurden in späteren Analysen bei solchen Patienten höhere Werte auf Angstsymptomskalen beobachtet.

In einer zweiten Analyse werteten die Forscher Daten von 16-Jährigen aus, die inzwischen öfter Cannabis konsumiert hatten, bei der ersten Befragung mit 14 Jahren aber noch keinen Drogenkonsum angegeben hatten. Die MRT-Scans im Alter von 14 Jahren unterschieden sich hier nicht von solchen Jugendlichen, die sich in beiden Befragungen als abstinent auswiesen.

Die Veränderungen bei der grauen Substanz lassen sich also nicht schon vor dem Cannabiskonsum nachweisen. Wäre dies der Fall gewesen, hätte der Cannabiskonsum als Folge, nicht als Ursache der Veränderungen interpretiert werden können.

Umgekehrt konnten die Forscher allerdings auch nicht zeigen, dass der Konsum den Veränderungen vorausgeht, die zeitliche Abfolge und die Kausalität bleiben damit unklar.

Kaum praktische Relevanz?
Über die Auswirkungen der Volumenveränderungen lässt sich ebenfalls nur spekulieren. Eine vergrößerte Amygdala könnte Angststörungen, Veränderungen im Belohnungssystem könnten die Suchtentwicklung begünstigen.

Die Forscher um Orr vermuten zudem, dass unter Cannabis die Hirnreifung und eine damit einhergehende relative Volumenreduktion in diesen Bereichen unterdrückt werden.

„Die Befunde sind in gesundheitspolitischer Hinsicht höchst alarmierend“, gab Professor Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters in Hamburg in einer Stellungnahme zu bedenken. „Darüber hinaus müssen sämtliche präventive Bemühungen intensiviert werden, die geeignet sind, jeglichen Cannabiskonsum im Jugendalter zu verhindern.“

Etwas zurückhaltender beurteilt Professor Gerald Zernig, Leiter der Arbeitsgruppe Präklinische Suchtforschung an der Universität Innsbruck die Studie. „Leider ist aus dieser Arbeit nicht zu entnehmen, wie die bescheidenen Veränderungen des Verhaltens und Denkens im Alltag zu Buche schlagen. Mich würde auch sehr interessieren, wie sich dieser Marihuana-Effekt von einem entsprechenden Alkohol-Effekt in derselben Studienanordnung unterscheidet. In der aktuellen Studie hatten sowohl die THC-Konsumenten als auch die THC-Abstinenten Alkohol konsumiert.“

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