Viele Patienten brechen Behandlungen mit verschiedenen Medikamenten aufgrund mangelnder Wirksamkeit oder aufgrund von Nebenwirkungen ab. Dies ist auch bei cannabisbasierten Medikamenten bzw. Medizinalcannabisblüten der Fall. Eine Abbruchquote von etwa einem Drittel ist erstaunlich wenig. Das Deutsche Ärzteblatt präsentierte eine Zwischenauswertung der Begleiterhebung zur Cannabistherapie.
Die Verteilung der Indikationen spiegelt die Praxis der Krankenkassen wieder, bei bestimmten Erkrankungen keine oder nur selten eine Kostenerstattung zu erteilen, sodass diese in der Statistik nicht oder unterrepräsentiert auftauchen. Es ist keineswegs so, dass Schmerzerkrankungen bei den Verschreibungen von Cannabis als Medizin 69 Prozent aller Verschreibungen ausmachen. Schmerzpatienten haben nur größere Chancen auf eine Kostenerstattung als Patienten mit vielen anderen Erkrankungen.
Viele Patienten brechen die Therapie ab
Die Legalisierung des medizinischen Einsatzes von Cannabis in Deutschland war 2017 eine politische Entscheidung, denn wissenschaftlich belegt sind Sicherheit und Wirksamkeit von Cannabis-haltigen Arzneimitteln bislang nur in sehr wenigen Indikationen. Um diese Wissenslücke möglichst schnell kleiner zu machen, beauftragte die Regierung das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit einer Begleiterhebung. Alle Ärzte, die Cannabis verordnen, sind demnach verpflichtet, dem BfArM die erforderlichen Daten zur Therapie in anonymisierter Form zu übermitteln. Erfasst werden neben Angaben zu Patientencharakteristika etwa die Diagnose, die Auswirkung auf den Krankheits- und Symptomverlauf, Nebenwirkungen und Angaben zur Entwicklung der Lebensqualität.
Wie das »Deutsche Ärzteblatt« berichtet, stellte nun Dr. Peter Cremer-Schaeffer vom BfArM die Ergebnisse einer ersten Zwischenauswertung dieser Begleiterhebung beim Deutschen Anästhesistenkongress in Leipzig vor. Die Daten sind auf der Website des BfArM abrufbar. Schmerz war demnach mit 69 Prozent der häufigste Grund für die Verordnung von medizinischem Cannabis gefolgt von Spastik (11 Prozent), Anorexie/Wasting (8 Prozent), Übelkeit und Erbrechen (4 Prozent), Depression (3 Prozent) und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (2 Prozent). Alle anderen Indikationen hatten nur je 1 Prozent oder weniger Anteil an den Verordnungen.
Zu den Schmerzpatienten, die ja mit Abstand die größte Gruppe ausmachten, enthält Cremer-Schaeffers Präsentation weitere Details. Demnach bekamen Frauen und Männer Cannabis zur Schmerzlinderung etwa gleich häufig verordnet. Die Altersverteilung ähnelt einer Normalverteilung mit einem Gipfel bei den 50- bis 59-Jährigen, die allein gut ein Viertel der Verordnungszahlen ausmachten. Die Patienten litten mehrheitlich schon sehr lange unter Schmerzen, nämlich zwölf Jahre oder länger (knapp 1000 von 3138 Patienten).
Die Fürsprecher einer rationalen Phytotherapie wie etwa die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft dürfte freuen, dass nicht Cannabisblüten, sondern das teilsynthetische THC Dronabinol mit 2017 von 3138 Patienten den größten Verordnungsanteil hatte. Eingesetzt wurde Dronabinol etwa als Rezeptur-Ausgangsstoff (NRF 22.7 und 22.8) oder in Form des importierten Fertigarzneimittels Marinol™. Auf den Plätzen 2 bis 4 folgen Cannabisblüten (656 Patienten), Sativex® off Label (393 Patienten), Cannabisextrakt (57 Patienten) und Nabilon, zum Beispiel als Canemes® off Label (15 Patienten).
Die häufigsten Nebenwirkungen bei Schmerzpatienten waren der Erhebung zufolge Müdigkeit (16,3 Prozent), Schwindel (12,5 Prozent), Übelkeit (7,4 Prozent), Schläfrigkeit (7 Prozent), Aufmerksamkeitsstörungen (6,4 Prozent), Mundtrockenheit (5,9 Prozent), Appetitsteigerung (5,1 Prozent), Gedächtnisstörungen (4,3 Prozent) und Gleichgewichtsstörungen (4,2 Prozent).
1179 Patienten (37,5 Prozent) brachen die Therapie mit Cannabis wieder ab. Am häufigsten taten sie das, weil sie mit der Wirkung nicht zufrieden waren (44,8 Prozent). Als zweithäufigster Grund wurden Nebenwirkungen angegeben (31,2 Prozent).