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Liebe Leserin, lieber Leser,

nach den Ergebnissen der Bundestagswahl und den manifest gewordenen internen Problemen der CDU/CSU ist bereits einer Woche nach der Wahl eine zukünftige Regierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wahrscheinlich geworden. Das erhöht die Chancen auf Erleichterungen beim Zugang von Patient:innen zu cannabisbasierten Medikamenten in der kommenden Legislaturperiode. Die drogenpolitischen Sprecher:innen dieser 3 Parteien hatten sich im Vorfeld dafür ausgesprochen, dass Patienten, die Cannabis aus medizinischen Gründen benötigen, nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden können, und ein entsprechendes Positionspapier unterstützt.

Eine aktuelle Studie von Professor Strohbeck-Kühner und seinen Kollegen von der Universität Heidelberg unterstreicht die Erfahrung vieler Ärztinnen und Patienten, dass Personen, die Cannabis aus medizinischen Gründen verwenden, im Allgemeinen sicher am Straßenverkehr teilnehmen können. Dies steht im Kontrast zum Vorgehen vieler Führerscheinstellen und MPU-Stellen, die zum Teil unbarmherzig gegen Patient:innen vorgehen, die Cannabis aus medizinischen Gründen benötigen. Häufig werden dabei Existenzen vernichtet, weil die Betroffenen ihren Arbeitsplatz nicht mehr erreichen können und in Hartz IV gedrängt werden. Eigentlich sieht das Gesetz vor, dass Patienten, die cannabisbasierte Medikamente benötigen, am Straßenverkehr teilnehmen dürfen und genauso behandelt werden sollen, wie Patienten, die andere Medikamente einnehmen, wie etwa Opiate oder sedierende Medikamente.

Alle betroffenen Patientinnen und Patienten haben nun ein wissenschaftliches Argument an der Hand, das ihnen bei der Argumentation gegen Behördenwillkür hilft. Die ACM wird dieses Thema zu einem Schwerpunkt ihrer zukünftigen Arbeit machen.

Viel Spaß beim Lesen!

Franjo Grotenhermen

Inhalt:

Cannabis-Patienten zeigen im Allgemeinen eine sichere Fahrweise und können abschätzen, wann sie am Straßenverkehr teilnehmen können

Gemäß einer Studie von Professor Dr. med. Peter Strohbeck Kühner vom Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin der Universität Heidelberg können Patienten, die cannabisbasierte Medikamente einnehmen, im Allgemeinen gut abschätzen, wann sie nach der Einnahme ihres Medikamentes wieder fahrtüchtig sind und zeigten „eine sichere und vorausschauende Fahrweise“. Erste Ergebnisse wurden unter dem Titel „Medizinal-Cannabis: Fahrverhalten im Realverkehr“ in der aktuellen Ausgabe 3/2021 (September 2021, Seiten 173-174) der Zeitschrift für Verkehrssicherheit veröffentlicht.

„Im Rahmen einer Studie am Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg wurde mit 30 Probanden im Alter von 24-57 Jahren (MW = 38 Jahre), davon 21 männlich, 9 weiblich, die ärztlich verordnetes Cannabis einnehmen, eine standardisierte psychologische Fahrverhaltensbeobachtung (FVB) im realen Straßenverkehr durchgeführt. Dabei wurden an genau definierten Messpunkten die Fahrdimensionen Orientierung, Aufmerksamkeit/Konzentration, Risikobezogene Selbstkontrolle und Handlungszuverlässigkeit erfasst. Vor der FVB erfolgte eine Krankheitsanamnese sowie eine Exploration der aktuellen Medikamenteneinnahme, der subjektiv erlebten Medikamentenwirkung sowie der früheren Drogenkonsumgewohnheiten. Im Anschluss an die FVB erfolgte eine Blut- und Urin-Entnahme zur Bestimmung der THC-Spiegel sowie eine ärztliche Untersuchung analog der polizeiärztlichen Untersuchung.“

Und weiter: „Die Ergebnisse der Studien zeigen, dass trotz der teilweise sehr hohen Serumwerte des THCs (MW = 17,3 ng/ml) die meisten Probanden eine sichere und vorausschauende Fahrweise zeigten. Lediglich zwei Probanden erfüllten die Kriterien der FVB nicht und weitere zwei zeigten gewisse Einschränkungen der Fahrleistung. Die Leistungen der Probanden einer hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbaren Kontrollgruppe genügten zwar durchgängig den Anforderungen der FVB, sie waren aber nicht besser als die der Cannabispatienten. Die Anzahl der festgestellten Fahrfehler korrelierte nicht mit den THC-Werten. Des Weiteren fand sich bei der ärztliche Untersuchung bei vielen Probanden auch eher weniger Hinweise auf den Konsum von Cannabis oder auf Ausfallserscheinungen.“

Die Autoren schlussfolgern, dass die Ergebnisse der Studie dafür sprechen, „dass die meisten Patienten, die unter dem akuten Einfluss teilweise sehr hoher Cannabiskonzentrationen sich einer standardisierten Fahrverhaltens-Beobachtung im Realverkehr unterzogen haben, den Anforderungen zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs genügten. Die teilweise sehr auffällige Fahrweise einer kleinen Patientengruppe lässt eine Leistungsüberprüfung von Cannabispatienten sinnvoll erscheinen.“

Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat eine Ausschreibung für eine
Untersuchung des Fahrverhaltens von Patienten unter Cannabistherapie veröffentlicht, die ebenfalls darauf abzielt, die Fahrsicherheit und Fahreignung von Cannabispatienten zu untersuchen.

Deutliche Zunahme der Importe von Cannabis nach Deutschland um mehr als 80 Prozent

Die Nachfrage nach Cannabis zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken nimmt nach Auskunft der Bundesregierung in Deutschland weiter zu. Die Zahl der Länder, aus denen Cannabisblüten und/oder Cannabisextrakte importiert werden, hat im Jahr 2021 auf 17 zugenommen, wobei die wichtigsten Importländer für Cannabisblüten weiterhin Kanada und die Niederlande sind, gefolgt von Dänemark und Portugal.

Gemäß einer Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg, Michael Theurer, Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/32283 haben sich die Importe für Medizinalcannabisblüten im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt (genau: Zunahme um 81,8 %), von 8966,6 kg auf 4946,3 kg im ersten Halbjahr 2020.

Die Importe erfolgten aus 15 Ländern: Australien, Dänemark, Israel, Jamaika, Kanada, Lesotho, Malta, Neuseeland , Niederlande , Österreich , Polen , Portugal, Schweiz , Spanien und Uruguay, davon mehr als jeweils 1000 kg aus Dänemark, Kanada, Niederlande und Portugal. Aus zwei weiteren Ländern (Kolumbien und Nordmazedonien) wurden ausschließlich Cannabisextrakte importiert.
Weiter heißt es in der Antwort der Bundesregierung: „In den allermeisten Fällen erfolgt die Einfuhr der Cannabisblüten und -extrakte nach Deutschland direkt aus demjenigen Staat, in dem der kontrollierte Anbau stattfindet. Nur in wenigen Einzelfällen erfolgt die Einfuhr nach Deutschland über andere Staaten, in denen selbst kein Anbau stattfindet.“

Presseschau: Bestrahlung gegen Aspergillus & Co. (Apotheke ADHOC)

Insbesondere für Patient: innen, deren Immunsystem bereits beeinträchtigt ist, wie beispielsweise bei Krebspatienten unter einer Chemotherapie, ist es wichtig, dass die eingenommenen Cannabispräparate nicht mit Pilzen und Bakterien verunreinigt sind. Dazu werden etwas mehr als die Hälfte der in Deutschland auf dem Markt befindlichen Cannabisblüten bestrahlt. Andere sehen die Bestrahlung kritisch.

Bestrahlung gegen Aspergillus & Co.

Bislang existiert keine Vorgabe für die mikrobiologische Reinheit von Cannabisblüten. Durch Bestrahlung können Pilze, Sporen und andere Keime abgetötet werden. Bei manchen Patient:innen ist dieses Verfahren jedoch eher negativ behaftet. Zu Unrecht?

Markus Hanl, Apotheker in der Lux 99 Apotheke in Hürth, kennt sich sehr gut mit Cannabis aus. In der Offizin versorgt er gemeinsam mit seinem „Cannabis-Team“ rund 1000 Patient:innen im Monat. Von unveränderten Blüten über Extrakte bis hin zu Kapseln sind alle Arten von Cannabis-Rezepturen vertreten. Bei der Auswahl der Blüten kommt der Apotheker auch immer wieder mit dem Thema mikrobiologische Reinheit in Berührung – nicht zuletzt, weil es in der Praxis auch Negativbeispiele gibt. Ein Risiko beim natürlichen Arzneimittel ist die Schimmelbildung. Das Risiko zur Entstehung kann bereits bei der erstmaligen Abfüllung beim Hersteller vorhanden sein. Im Rahmen der diesjährigen Expopharm berichtet der Apotheker über die Möglichkeiten der Keimreduktion.

Bestrahlung – Kontrast zur „natürlichen Medizin“ ?
Aktuell sind rund 57 Prozent aller Blüten in deutschen Apotheken bestrahlt. Das Verfahren ist sowohl auf Hersteller-, als auch auf Patientenseite häufig umstritten. Während Patient:innen vor allem einen Widerspruch im Verständnis zur natürlichen Medizin sehen beziehen sich die Produzenten vor allem auf die unterschiedlichen Sichtweisen zur Notwendigkeit niedriger Keimzahlen.
„Ein aseptischer Anbau von Cannabis ist aktuell nicht möglich“, berichtet Hanl, „es können immer wieder über unterschiedlichste Wege Keime auf die Pflanze gelangen, beispielsweise über das Substrat, welches verwendet wird.“ Aus seiner Sicht ist die abschließende Bestrahlung der Blüten ein wichtiger Schritt für die Patientensicherheit. „Gesundheitsrisiken können vor allem für immunsupprimierte Patienten entstehen. Hierzu liegen auch einige Fallberichte vor.“ Besonders gefährlich seien Keime aus der Familie der Aspergillus-Pilze. „Schimmelpilze wie der Aspergillus fumigatus konnten bereits in Proben aus Vaporisern detektiert werden.“ Auch in seinem eigenen Apothekenalltag kam der Apotheker bereits mit mikrobiologisch belastetem Cannabis in Berührung.

(…)

Einige weitere Pressemeldungen der vergangenen Tage

Medizinisches Cannabis: Kampf um einen Milliardenmarkt

CBD Öl für medizinische Zwecke: Die aktuelle Rechtslage in Europa und den USA (Stuttgart Journal)

Cannabis – Ein Wachstumsmarkt der Zukunft? (Bayerischer Rundfunk)

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