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ACM-Mitteilungen vom 15. April 2023

Liebe Leserin, lieber Leser,

wir leben in historischen Zeiten! Die Zeitenwende nimmt auch im Bereich Cannabis als Medizin weiter an Fahrt auf. Eine der zentralen jahrelangen Forderungen der ACM und des SCM soll nun endlich umgesetzt werden.

Patient:innen sollen künftig nicht mehr kriminalisiert werden, wenn sie Cannabis für die eigene Verwendung anbauen – wenn auch in einem begrenzten Umfang. Es besteht auch die Möglichkeit, dass sich Patient:innen zu Anbauvereinen zusammenschließen. Möglicherweise werden bereits bestehende Selbsthilfegruppen und andere Initiativen in diese Richtung aktiv. Der Eigenbau könnte auch dabei helfen, Qualitätsmängel, wie sie bei kommerziell hergestellten Cannabisblüten vermehrt auftreten, zu vermeiden (siehe unten die Ankündigung zum Webinar).

Für viele Patientinnen und Patienten, die mit moderaten Mengen ausreichend therapiert sind und nicht die finanziellen Mittel haben, sich Cannabis aus der Apotheke zu leisten, ist dies eine tragfähige Option. Jetzt wird es vor allem um zwei weitere Verbesserungen gehen. Zum einen sollten auch Patienten, die einen höheren Bedarf haben, diesen Bedarf legal durch den eigenen Anbau oder einen genossenschaftlich organisierten Anbau decken können. Denkbar wäre eine Erlaubnis zum Anbau größerer Mengen, wenn ein entsprechendes ärztliches Attest, dass eine Cannabistherapie notwendig ist, vorliegt.

Zum anderen wird es darum gehen, dass vernünftige Lösungen für die Teilnahme dieser Patienten am Straßenverkehr gefunden werden. Denkbar wäre eine ärztliche Begleitung, bei der die Cannabisverwendung von Patienten wie bei der ärztlich begleiteten Selbsttherapie nach einer Ausnahmeerlaubnis gemäß Paragraf 3 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz zwischen den Jahren 2007 und 2017 die Teilnahme am Straßenverkehr nicht ausschließt.

Wir freuen uns über diese Entwicklung!

Franjo Grotenhermen

Inhalt

Webinar: Qualitätsanforderungen an Cannabisblüten

In Deutschland häufen sich Fälle von kommerziell hergestellten Cannabisblüten, die verschimmelt in den Handel gelangen. Das fällt ggf. erst beim Zerkleinern der Blütenstände beim Patienten auf. Schimmelbefall ist mit dem Risiko einer Kontamination mit Aspergillus spp. verbunden. Die Inhalation von Cannabis, das mit Aspergillus spp. kontaminiert ist, kann schwerwiegende Auswirkungen haben, falls keine Abtötung der Keime erfolgt, insbesondere bei immungeschwächten Patienten.

Praktiken, mit denen in zunehmenden Maßen aus Kostengründen versucht wird, diese Anforderungen zu umgehen, sind nicht nur unangemessen, sondern illegal und stellen ein Risiko für die Patienten dar. Die Sicherstellung angemessener qualitätssichernder Maßnahmen in der Wertschöpfungskette ist eine Obliegenheit des Herstellers von Arzneimitteln. Das ist im Falle der Rezepturarzneimittel die herstellende Apotheke.

In dem Webinar werden die Anforderungen an Cannabisblüten im Detail dargestellt und Maßnahmen erläutert, wie in der Apotheke sichergestellt werden kann, dass nur Blüten bezogen werden, die den in Deutschland geltenden Anforderungen genügen.

Referent: Professor Dr. Markus Veit

Veranstalter: VCA (Verband der Cannabis versorgenden Apotheken)

Anmeldung zum kostenlosen Webinar am Donnerstag, 20.4.2023 von 18:30 bis 20:00

Presseschau: Cannabis-Legalisierung: Bundesregierung plant Abgabevereine (Ärztezeitung)

Am 12. April haben Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) Eckpunkte für die Cannabislegalisierung vorgestellt. Danach soll der Besitz von 3 Cannabispflanzen zukünftig erlaubt sein. Zudem sollen sich Interessierte in Anbauvereinen zusammenschließen und gemeinsam den Anbau organisieren dürfen.

Cannabis-Legalisierung: Bundesregierung plant Abgabevereine

Die Bundesregierung kündigt eine zweistufige Cannabis-Legalisierung an. Mit der EU-Kommission hat man sich offenbar in Grundzügen verständigt.

Der Cannabiskonsum soll noch dieses Jahr in Deutschland legalisiert werden. Am Mittwoch präsentierten Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) vor der Bundespressekonferenz neue Eckpunkte zum Gesetzgebungsverfahren.

Danach sollen zwei Gesetzentwürfe kommen: Der eine noch im April, mit dem ein „gemeinschaftlicher, nicht-gewinnorientierter“ Marihuana-Eigenanbau geregelt wird; Lauterbach: „von mir aus können Sie auch von Clubs sprechen“.

Mit einem zweiten, voraussichtlich nach der Sommerpause zu erwartenden Gesetzentwurf, sollen regionale Modellprojekte zum Aufbau kommerzieller THC-Lieferketten vorbereitet werden. Diese wissenschaftlich auszuwertenden Versuche sollen Auskunft geben, wie sich unternehmerische Marihuanaproduktion und der Verkauf in lizenzierten Fachgeschäften auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt auswirken.

Die Ergebnisse, heißt es weiter, würden der EU-Kommission vorgelegt und könnten insofern auch auf EU-Ebene zu einer, so Lauterbach, „evidenzbasierten Cannabispolitik“ beitragen.

Özdemir: Gesetze möglichst zustimmungs- und notifizierungsfrei

Welche Einwände die Kommission gegen das ursprüngliche, im Oktober vorigen Jahres vorgestellte Legalisierungs-Setting der Bundesregierung konkret anzumelden hatte, wollten die beiden Minister am Mittwoch nicht sagen. Man habe diesbezüglich Vertraulichkeit vereinbart.

In der Hauptsache war wohl die öffentliche, geschäftsmäßige Cannabis-Abgabe das Problem. Die jetzt angekündigten Feldversuche dürften den Kompromiss darstellen. Man habe schließlich „nicht mit dem Kopf gegen die Wand laufen wollen“, so der Gesundheitsminister.

Landwirtschaftminister Özdemir ließ zugleich durchblicken, dass die beiden avisierten Gesetzentwürfe so formuliert werden sollen, dass sie weder zustimmungspflichtig im Bundesrat sind, noch notifizierungspflichtig in Brüssel. Zumindest was den zweiten Entwurf zu den Modellvorhaben angeht, ist die Notifizierungspflicht mit Sicherheit nicht auszuschließen.

Die wichtigsten Punkte der geplanten THC-Legalisierung im Eigenanbau:

· Vereine dürfen Cannabis unter gesetzlich zu definierenden Bedingungen anbauen und an ihre Mitglieder (maximal 500 Erwachsene mit Wohnsitz in Deutschland) abgeben. Der Zutritt zu den Vereinen soll nur Volljährigen erlaubt werden „mit einer strikten Pflicht zur Alterskontrolle“.

· Neben geerntetem Cannabis dürfen die Vereine ihre Mitglieder auch mit Samen und Stecklingen zum Eigenanbau versorgen. Noch zu prüfen sei, ob auch Nicht-Mitglieder von den Vereinen Saatgut beziehen dürfen.

· Vereinsmitglieder sollen höchstens 25 Gramm Cannabis-Blüten (oder Harz) pro Tag und höchstens 50g monatlich erhalten dürfen. „Heranwachsende unter 21 Jahren“, heißt es weiter, sollen höchsten 30g monatlich erhalten – und nur Sorten mit einem niedrigeren THC-Gehalt (im Detail noch zu bestimmen).

· Die vereinsmäßige Saatgutabgabe ist den Plänen zufolge auf sieben Samen oder fünf Stecklinge pro Monat limitiert. Wobei der straffreie Eigenanbau nur maximal drei weibliche blühende Pflanzen umfasst.

· Der Cannabiskonsum in den Räumen der Vereine soll ebenso verboten werden wie öffentlicher Konsum in der Nähe von Schulen, Kitas und in Fußgängerzonen bis 20 Uhr.

Darüber hinaus sollen Verurteilungen, die wie es heißt „ausschließlich wegen Handlungen im Zusammenhang mit Cannabis eingetragen sind, für die das Gesetz künftig keine Strafe mehr vorsieht (Besitz bis 25g/Eigenanbau bis max. 3 weibliche blühende Pflanzen)“, auf Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden.

Entsprechende noch laufende Ermittlungs- und Strafverfahren würden mit Inkrafttreten des Gesetzes beendet.

Presseschau: Cannabisfreigabe könnte mehrere Jahre dauern (Deutsches Ärzteblatt)

Die Bundesregierung kommt der Forderung nach, Elemente der geplanten Cannabislegalisierung, die sich zügig umsetzen lassen, vorzuziehen. In Kürze soll die Möglichkeit bestehen, Cannabispflanzen für den eigenen Bedarf selbst oder in einer Gemeinschaft anzubauen. Weitere Schritte könnten dann später folgen.

Cannabisfreigabe könnte mehrere Jahre dauern

Eine umfassende Freigabe und Regulierung von Cannabis als Genussmittel sind aus Sicht der SPD weiterhin möglich, könnten aber mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Einem Papier des Partievorstands zufolge soll in mehreren Schritten auf eine umfassende Legalisierung hingearbeitet werden – indem eine Phase die Datengrundlage schafft, um die folgende Phase zu begründen.

Die geplante Legalisierung von Cannabis als Genussmittel ist ein hoch komplexes Unterfangen, betonte Bun­des­gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seit Amtsantritt immer wieder. Aufgrund der massiven Beden­ken in Brüssel könnte das Gesetzesvorhaben nun aber noch komplexer werden als ohnehin geplant.

Denn die SPD hat sich von ihrem ursprünglich geplanten Vorhaben verabschiedet. „Eine umfassende Legalisie­rung ist aus europarechtlichen Gründen offensichtlich kurzfristig nicht umsetzbar“, heißt es in dem Papier, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Deshalb unterstütze die Partei Lauterbach und die Bundesregierung „bei praktikablen Schritten hin zur Legalisierung“.

Dies könnten demnach Modellprojekte, eine Entkriminalisierung und die Ermöglichung des Eigenanbaus sein. Dadurch könne nicht nur der Schwarzmarkt zurückgedrängt werden. Vielmehr sollen diese Schritte helfen, „eine solide Datengrundlage für Wissenschaft und Gesellschaft“ zu schaffen – also belastbare Argumente für die umfassende Legalisierung zu generieren.

„Diese Erkenntnisse fehlen bislang und sind notwendig, um die Thematik weiterhin mit Fakten zu behandeln und Prävention zu stärken“, schreibt der Parteivorstand. „Unser Ziel bleibt eine auch den Anbau und Vertrieb umfassende, europarechtskonforme Legalisierung.“ Und an anderer Stelle: „Aus unserer Sicht kann die Entkri­minalisierung daher bereits vorzeitig in einem gestuften Prozess im Parlament beschlossen werden.“

Das heißt, aus SPD-Sicht könnte auf eine Entkriminalisierung eine Phase folgen, in der die Auswirkungen eines kontrollierten und regulierten Verkaufs von Cannabis in Modellregionen untersucht werden. Aus der Evaluie­rung dieser Modellprojekte würde dann im Idealfall die nötige Datengrundlage für eine umfassende Freigabe generieren.

Dabei denkt die SPD auch europäisch: Nach der nationalen Entkriminalisierung könnten zusammen mit den sozialdemokratischen Freundinnen und Freunden weitere Schritte auch europäisch oder international umge­setzt werden. Demnach wäre denkbar, nach Entkriminalisierung des Konsums den Versuch zu unternehmen, auf höherer Ebene gemeinsam eine umfassende regulierte Freigabe zu organisieren. Diese Vorgehensweise hatte auch der Rechtswissenschaftler und SPD-Europaabgeordnete René Repasi ins Gespräch gebracht.

Bis es so weit ist, sollen aber über Entkriminalisierung und Ermöglichung des Eigenanbaus hierzulande zu­mindest der Schwarzmarkt geschwächt und so durch die Verringerung des Anteils von Schwarzmarktcannabis mit potenziell schädlichen Beimischungen ein Beitrag zum Gesundheitsschutz geleistet werden.

Zentraler Bestandteil sollen dabei sogenannte Cannabis Social Clubs (CSC) sein, die als genossenschaftlich organisierte Vereine oder Gesellschaften dem gemeinsamen Anbau dienen. So könne Menschen ohne eigene Anbaumöglichkeiten der Zugang zu legalem Cannabis ermöglicht werden.

„Diese Form des gemeinschaftlichen Anbaus soll daher als weitere Maßnahme dienen, den Gesundheitsschutz zu gewährleisten und den Schwarzmarkt zurückzudrängen“, schreiben die Sozialdemokraten.

Gerade einkommensschwache Menschen hätten nämlich meist gar nicht den Raum für ausreichenden Eigen­an­bau. Die CSC seien deshalb „die Antwort auf die soziale und gerechte Frage in der Drogenpolitik“, heißt es im Papier. „Nicht allein Menschen mit hohem Einkommen dürfen Zugang zu legalem Cannabis haben.“

Auch müsse es grundsätzlich möglich sein, eigenständig angebautes Cannabis unter bestimmten Bedingungen auch zu teilen oder zu verschenken. Pro Person sollen bis zu fünf Pflanzen erlaubt sein.

Auch will die SPD offenbar die Tür für Menschen offenhalten, die bereits wegen geringer Cannabisdelikte vor­bestraft sind: Wenn es um eine mögliche Lizenzvergabe zur Produktion oder Vertrieb von legalem Cannabis geht, sollen Straftäter, die mit leichten Vergehen nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt wurden, nicht pauschal ausgeschlossen werden.

Ein Lizenzsystem ist zum Verkauf von legalem Cannabis nach einer umfassenden Legalisierung also weiterhin vorgesehen. Diese Lizenzen könnten nach den bisherigen Plänen sowohl an Fachgeschäfte als auch an Apo­theken vergeben werden.

Die Pläne sollten nach Ansicht des SPD-Vorstands aber noch weiter gehen: Mittels eines Straffreiheitsgesetzes soll eine Amnestie solle denjenigen zugutekommen, die sich durch Konsum oder andere Taten strafbar ge­macht haben, die nach den geplanten Neuregelungen nicht mehr illegal wären.

Entsprechende laufende Verfahren sollen dann beendet, bereits abgeschlossene Verfahren aufgehoben und einschlägige Einträge aus polizeilichen Führungszeugnissen gestrichen werden.

Der Kinder- und Jugendschutz sowie die allgemeine Suchtprävention sollen dabei höchste Priorität haben. Deshalb begrüße der SPD-Parteivorstand die Idee der Bundesregierung im öffentlichen Raum eine Obergrenze von 25 bis 50 Gramm Cannabis einzuführen.

Anders sieht es bei einer möglichen THC-Obergrenze aus: Die sei zwar aus gesundheitlichen Gründen nach­vollziehbar, dürfe aber nicht dazu führen, dass sie den illegalen Verkauf von Cannabis fördert. „Daher stehen wir Obergrenzen nicht ablehnend aber grundsätzlich kritisch gegenüber“, schreibt der Parteivorstand.

Zwar soll der Konsum grundsätzlich an Orten möglich sein, an denen auch Tabakprodukte konsumiert werden dürfen, allerdings solle es im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes Schutzzonen geben, die um sensible Orte wie Schulhöfe, Kindertagesstätten und andere Plätze, an denen sich vermehrt Kinder aufhalten, möglich sein.

Die Steuereinnahmen nach einer erfolgten umfassenden Freigabe sollten demnach vor allem in Sucht- und Präventionsangebote investiert werden, die über die Droge, ihre Wirkungen und einen verantwortungsvollen Konsum aufklären. Es sei klar, „dass junge Menschen Aufklärung auf Augenhöhe benötigen, um einen ver­antwortungsvollen Umgang mit Cannabis zu entwickeln, statt Belehrungen und Verbote, die ihrerseits falsche Anreize schaffen.“ © lau/aerzteblatt.de

Presseschau: Andreas Becker und Nicolas Martin über JuicyFields: “Ausgedachtes Universum” (Krautinvest)

Das Unternehmen JuicyFields hat Anleger mit profitablen Gewinnen aus ihren Geschäften mit der Produktion und dem Vertrieb von Cannabis angelockt und Gelder in Millionenhöhe eingesammelt und veruntreut.

Andreas Becker und Nicolas Martin über JuicyFields: “Ausgedachtes Universum”

Unbedingt hören! Im Podcast Cannabis Cowboys von der Deutschen Welle versuchen die beiden Investigativ-Journalisten Andreas Becker und Nicolas Martin den JuicyFields-Scam zu entschlüsseln – und landen mittendrin im Perpetuum mobile der betrügerischen Matrjoschka-Puppen. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man als Zuhörer glauben, man sei Teil einer fiktiven Geschichte, deren Autoren der Sinn für die Realitätsnähe abhanden gekommen ist. Cannabis Cowboys ist eine achtteilige Staffel, nach der der Hörer zwar mit etlichen Fragezeichen zurückbleibt (und selbst nicht mehr so recht weiß, was ausgedacht, was echt ist), vor allem aber auch mit einem ungläubigen Kopfschütteln.

Allerdings ist einem beim Zuhören nicht immer nach Popcorn auf der Couch. Zu fad ist an vielen Stellen der Beigeschmack, wenn Protagonisten über ihren finanziellen Ruin berichten. Noch schlimmer: Wenn die Gier nach Geld ganze Familien in den Bankrott hineinrutschen lässt. Zwischenmenschliche Beziehungen, jahrzehntelange Freundschaften gehen in die Brüche, menschliche Existenzen rücken an den Rand des Abgrunds. Morddrohungen strapazieren plötzlich das Nervenkostüm derjenigen, die selbst aktiv Gelder im Schneeballsystem eingetrieben haben.

Im Gespräch mit den beiden Journalisten schwebt über allem die große Frage: Wie konnte es nur soweit kommen? Im Interview über den Podcast Cannabis Cowboys geht es daher nicht nur über die Recherche zu JuicyFields, es ist auch eine Spurensuche nach kollektiver Verantwortung und ein Versuch, dem oftmals abstrakten Begriff der Schuld auf die Schliche zu kommen. Hätten viele einzelne Schicksalsschläge verhindert werden können, wenn jemand mehr Courage gehabt hätte, nicht länger wegzugucken?

krautinvest.de: Nico, Andreas, ihr habt die achte und vorerst letzte Folge von Cannabis Cowboys veröffentlicht. Glückwunsch! Ist nach der ersten zugleich auch vor der zweiten Staffel?

Andreas: Ganz ehrlich. Wir wissen es noch nicht. Wir wollen etwas nachliefern, wenn es was nachzuliefern gibt. Im Moment haben wir das Gefühl, dass jetzt erstmal an offiziellen Stellen etwas passieren müsste; seien es Verhaftungen oder Prozesseröffnungen. Wir halten aber trotzdem die Augen offen.

Nico: Wir bleiben weiter dran und sind perspektivisch offen. Die Geschichte hat uns ein halbes Jahr in sämtliche Rabbit-Holes reingezogen. Über ein Buch haben wir auch nachgedacht. Was die Filmrechte angeht, liegt eine Anfrage vor.

krautinvest.de: Wann habt ihr denn überhaupt losgelegt?

Nico: Vor etwa einem Jahr. Richtig Gas gegeben haben wir ab dem 14. Juli 2022, also ab dem Zusammenbruch der Plattform. Wir hatten bereits davor Interviews mit Managern und Investoren geführt, die uns erzählt hatten, wie gut JuicyFields funktioniert und wie viel Geld die Plattform abwirft. Wir hatten da aber noch nichts veröffentlicht. Als die Plattform dann zusammengebrochen ist, da wurde uns klar: Aus journalistischer Sicht sind diese Interviews mit den abgetauchten Managern und den euphorischen Anlegern ein Schatz, wenn wir dranbleiben. Das letzte halbe Jahr haben wir dann fast nur noch an Cannabis Cowboys gearbeitet. Es steckt unheimlich viel Arbeit in dem Podcast.

krautinvest.de: Keine Sorge, das hört man.

Andreas: Wie immer bei investigativen Sachen: Viele Spuren führen ins Nichts. Es ist ein ständiges Aussortieren. Bis man am Ende eine Geschichte hat, die sich gut anhört, sind auch etliche Sachen liegen geblieben oder haben sich im Nachhinein als Sackgasse entpuppt.

(…)

Das ausführliche Interview findet sich hier.

Presseschau: Cannabis-Spray gegen Schmerzen: Top-Arzt aus München stellt „weltweit größte Studie“ vor (TZ)

In Deutschland soll eine große Studie zur Wirksamkeit des Cannabisextraktes Cannaxan bei chronischen Schmerzen durchgeführt werden.

Cannabis-Spray gegen Schmerzen: Top-Arzt aus München stellt „weltweit größte Studie“ vor

Kann Cannabis chronische Schmerzen lindern? Thomas Tölle, Neurologe am Klinikum der TU München, treibt die Forschung für ein neues Medikament voran. „High“ macht das Spray jedoch nicht.

München – Mehr als 23 Millionen Menschen haben allein in Deutschland mit chronischen Schmerzen zu kämpfen. Sie klagen oft über unerträgliche Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule oder an den Gelenken, Kopf- und Nervenschmerzen, um nur einige Symptome zu nennen. Kaum ein deutscher Mediziner kennt solche Leidensgeschichten so gut wie Professor Dr. Dr. Thomas R. Tölle. Der Facharzt für Neurologie und Psychologe leitet das Zentrum für Interdisziplinäre Schmerzmedizin am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, gilt als äußerst erfahrener Experte unter anderem für Kopf, Rücken- und Nervenschmerzen.

Im wissenschaftlichen Bereich hat Tölle die Schmerzforschung entscheidend mitgeprägt. Jetzt hat der Münchner Top-Mediziner ein neues, spektakuläres Forschungsprojekt zu bewältigen: die weltweit größte Studie zum Einsatz von Cannabis als Medikament. Das Vorhaben ist von deutschen Ethik-Kommisionen geprüft worden und ist in Deutschland beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) und auch in USA angemeldet und registriert.

Cannabis als Medikament: Patienten mit diesen Krankheiten kommen für die Studie in Frage

An dem wissenschaftlichen Mammutprojekt werden sich über die Hälfte der deutschen Unikliniken beteiligen. Die Wissenschaftler wollen Licht in die viel und kontrovers diskutierte Frage bringen, ob und wie stark Cannabis chronische Schmerzen lindern kann. Genauer gesagt: Cannabis-Spray.

2300 Patienten sollen über eine Gesamtlaufzeit von zwölf Monaten die Inhaltsstoffe über die Mundschleimhaut aufnehmen. Voraussetzung ist, dass die Teilnehmer an einer von vier für die Studie zugelassenen Beschwerden bzw. Erkrankungen (Fachbegriff Indikationen) leiden: Rückenschmerzen, Nervenschmerzen, diabetische Polyneuropathie sowie Schmerzen nach Operationen. „Es ist ein neuer Ansatz in der Schmerztherapie, den wir jetzt unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten genau untersuchen wollen“, sagte Professor Tölle in einem Gespräch mit Münchner Merkur und tz.

Cannabis-Forschung: Große Unsicherheit über Nutzen und Risiken einer Therapie

Der medizinische Hintergrund: In Cannabis stecken mehr als 100 Wirkstoffe. Die beiden wichtigsten sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC gilt als Stimmungsaufheller, verändert allerdings die Wahrnehmung (benebelt). Es soll Schmerzen lindern können. CBD wirkt eher gegen Entzündungen, lindert Krämpfe und soll Angst reduzieren. Wie effektiv diese beiden und andere Inhaltsstoffe chronischen Schmerzpatienten helfen können, soll das Ergebnis der Großstudie zeigen.

In den vergangenen Jahren waren wiederholt wissenschaftliche Forschungsprojekte zu Cannabis als Medikament gestartet worden, ohne, dass es zu einer abschließenden Beurteilung der Wirksamkeit gekommen ist. Deswegen herrscht bei Patienten und Schmerztherapeuten nach wie vor große Unsicherheit über Nutzen und Risiken einer Therapie mit Cannabis.

Schmerzmediziner Thomas Tölle: „Lehne Rauchen von Cannabis ab“

Bereits 2017 hatte das Bundesgesundheitsministerium eine Intensivierung der Forschung gefordert: „Im Bereich der medizinischen Anwendung von Cannabisarzneimitteln wurde vor allem deutlich, dass der Forschungsstand noch sehr uneinheitlich ist. Aufgrund der begrenzten Datenlage kann zu vielen Krankheitsbildern noch keine Aussage zur Wirksamkeit von Cannabis gemacht werden. Hier sind weitere Studien notwendig“, hieß es damals in der Publikation „Cannabis – Potenzial und Risiken“.

Nun soll ein Schulterschluss an den deutschen Universitäten für belastbare Daten sorgen. Dabei ist dem Münchner Schmerzmediziner Tölle ganz wichtig, dass das Cannabis-Spray nicht in einen Topf mit cannabishaltigen Zigaretten geworfen wird. „Ich lehne das Rauchen von Cannabis ab, weil es die Konsumenten high macht. Bei der Anwendung des Cannabis-Sprays tritt dieser berauschende Effekt nicht ein“, betont Tölle. Die ersten Patienten sollen im dritten Quartal diesen Jahres am Uniklinikum rechts der Isar sowie an anderen deutschen Universitätskrankenhäusern mit dem Spray behandelt werden.

Cannabis-Spray wird von Firma in Oberbayern hergestellt und vertrieben

Das Patent für die Herstellung des Sprays hält eine Firma mit Sitz in Warngau. Dort wird es hergestellt und vertrieben. Es ist die Apurano Pharmaceuticals GmbH. Das Unternehmen hatte bereits eine vorgeschaltete kleinere Studie initiiert. Dabei sei ein „hohes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil“ nachgewiesen worden, so Apurano.

Schmerzmediziner war bereits mit App gegen Rückenschmerzen erfolgreich

Der Münchner Wissenschaftler Tölle gilt als Innovationstreiber und Experte für die Durchführung großer Studien. So hat er bereits die „Rise-up“-Methode erforscht – ein digitales Behandlungskonzept gegen unspezifische Rückenschmerzen. Dabei wurden 1237 Patienten ein Jahr lang untersucht. An dem Projekt nahmen auch 111 Hausarztpraxen in Bayern teil. Wichtigster Teil der neuen Studie war die Anwendung einer neuen App fürs Handy zur Therapie von Rückenschmerzen. Sie heißt „Kaia Rücken-App“ und kann inzwischen sogar auf Kassenrezept verordnet werden.

Presseschau: BGH bestätigt Haft­strafe für einen Arzt (Legal Tribune Online)

Die Haftstrafe für einen Arzt, der Cannabis an Patienten, die er vorher nicht untersucht hat, verordnet hat, wurde nun vom Bundesgerichtshof bestätigt.

BGH bestätigt Haft­strafe für einen Arzt

Mehr als 500-mal hat ein Arzt Cannabis ohne vorherige Untersuchung seiner Patienten verordnet. Dafür muss er nun ins Gefängnis, wie der BGH bestätigte. Die Revision des Mediziners blieb erfolglos.

539 Mal hat ein Arzt Cannabis verschrieben, ohne dass es davor eine Untersuchung bzw. dafür einen medizinischen Grund gab. Das Landgericht (LG) München hatte ihn deswegen zu dreieinhalb Jahren Haftstrafe verurteilt. Zu Recht, entschied nun auch der Bundesgerichthof (BGH) und verwarf die Revision des Arztes als unbegründet (Beschl. v. 20.03.2023, Az. 1 StR 266/22).

Unter dem Deckmantel seiner ärztlichen Zulassung hatte der Arzt Cannabisprodukte verordnet, obwohl er die Patienten zuvor nicht einmal untersucht hatte. Seine Leistungen rechnete er nicht nach der Gebührenordnung für Ärzte, sondern gegen unmittelbare Barzahlungen ab.

Dafür hatte ihn das LG München wegen des Verschreibens von Betäubungsmitteln entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz (BMtG) in 539 Fällen verurteilt. Die Norm erlaubt eine Verschreibung von Cannabisprodukten nur, wenn medizinische Gründe vorliegen und eine alternative Behandlung nicht in Frage kommt. Darüber hinaus hatte das LG gegen den Arzt die Einziehung von Taterträgen in Höhe von 47.740 Euro angeordnet. Der Mann erhielt auch für die Dauer von drei Jahren ein beschränktes Berufsverbot.

Der BGH hat sich noch einmal mit dem Fall befasst, weil der Arzt Revision eingelegt hatte. Die Ausführungen des LG seien aber beanstandungslos, so der BGH, es seien keine Rechtsfehler erkennbar. Die Revision des Arztes sei damit im Ergebnis unbegründet.

Einige weitere Meldungen der vergangenen Tage

Auch Ärztekammern Niedersachsen und Bayern warnen vor Cannabis-Freigabe (Ärzte Zeitung)

Cannabis-Pläne: Lauterbach löst ein Versprechen ein (Hamburger Abendblatt)

Legal Kiffen mit Stoff aus dem Cannabis-Club (Westfalen Post)

So legal wird Kiffen (ZDF)

Die Drogenpolitik braucht einen Dammbruch (Zeitonline)

Cannabis-Verkauf soll nach Willen der Grünen in Bremen erlaubt werden (butenunbinnen)

So sollen Jugendliche vor Cannabis-Konsum geschützt werden (Bundesgesundheitsministerium)

Cannabis-Legalisierung: Lauterbach präsentiert Zwei-Säulen-Modell (Braunschweiger Zeitung)

Es gibt keinen Grund, Cannabis zu legalisieren (Bundesärztekammer)

Lauterbach verteidigt Cannabispläne gegen Kritik (Ärzteblatt)

Gefährliches Cannabis (Frankfurter Allgemeine)

Cannabis-Legalisierung in Deutschland – Fragen und Antworten (NDR)

Fränkischer Schmerzpatient wegen Cannabis-Anbau auf Bewährung – Legalisierungs-Pläne reichen ihm nicht (inFranken)

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