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ACM-Mitteilungen vom 24. Juni 2023

Liebe Leserin, lieber Leser,

die größte Sorge vieler Patientinnen und Patienten, die am Straßenverkehr teilnehmen, ist die Sorge vor einem Führerscheinverlust, an dem nicht selten auch Beruf und Arbeitsplatz hängen.

Zwar heißt es im Abs. 2 des § 24a des Straßenverkehrsgesetzes:

„Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. (…). Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.“

Entsprechend ist nach der Fahrerlaubnisverordnung ein Patient nur ungeeignet, am Straßenverkehr teilzunehmen, wenn das Medikament missbräuchlich eingenommen wird, beispielsweise durch Abweichung von der Dosierungsanleitung. Soweit die juristische Grundlage und Theorie.

Allerdings haben Führerscheinstellen und viele MPU-Stellen in den vergangenen Jahren eine Praxis entwickelt, die dieses so genannte „Medikamentenprivileg“ für cannabisbasierte Medikamente de facto ausgehebelt. Die Verwendung cannabisbasierter Medikamente wird völlig anders behandelt als die anderer Medikamente, die die Fahrsicherheit und Fahreignung beeinträchtigen können.

Beispielsweise nehmen sich Führerscheinstellen und MPU-Stellen heraus, die Indikation für eine Cannabistherapie zu überprüfen und verlangen in umfangreichen Fragenkatalogen – im Allgemeinen 10-15 Fragen – vom behandelnden Arzt detaillierte Auskünfte über Vorbehandlungen, Gründe für die Wahl von Cannabismedikamenten und andere Informationen, deren Ermittlung nicht die genuine Aufgabe dieser Institutionen darstellt. Ich kenne keinen Cannabispatienten, der beim TÜV erfolgreich eine MPU bestanden hat.

Im Freizeitkonsumsbereich hat sich der Entzug des Führerscheins seit den 1990er Jahren zur Ersatzstrafe entwickelt, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1994 festgestellt hatte, dass der Besitz einer geringen Menge Cannabis nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden sollte. Immerhin will Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nun dieses Thema angehen. Hoffen wir, dass auch bei der medizinischen Verwendung eine längst überfällige Klarstellung in Angriff genommen wird. Die Bundesanstalt für Straßenwesen, die sich im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums um Fragen der Verkehrssicherheit kümmert, hatte eine solche Klarstellung nach einem Expertengespräch mit Rechtsmedizinern und Ärzten im Frühjahr 2018 versprochen. Passiert ist bisher jedoch nichts.

Eigentlich sollte man denken, dass es sich Deutschland allein schon angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels und steigender Sozialausgaben nicht mehr leisten kann, Tausende von Bundesbürgern aus der Erwerbstätigkeit ins Bürgergeld zu drängen. Aber beim Thema Cannabis hören Rationalität und gesunder Menschenverstand bekanntlich häufig auf.

Wir sind empört, aber nicht verwundert – und setzen uns dafür ein, dass sich die Dinge weiter in eine gute Richtung entwickeln.

Franjo Grotenhermen

Inhalt

Presseschau: Vor der geplanten Legalisierung: Verkehrsminister Wissing will nun doch Cannabisgrenzwert für den Straßenverkehr überprüfen (Redaktionsnetzwerk Deutschland)

Bisher gilt in Deutschland ein Grenzwert für THC im Blutserum von 1 ng/ml (Nanogramm pro Milliliter). Wird man mit mehr als 1 ng/ml THC im Blutserum erwischt, so hat man nach der bisherigen Definition unter dem Einfluss von Cannabis am Straßenverkehr teilgenommen. Pharmakologisch ist das Unsinn. Da bei regelmäßigen Konsumenten dieser „Grenzwert“ dauerhaft überschritten wird, ohne dass eine Beeinträchtigung bestehen muss, erreicht dieses Vorgehen genau das Gegenteil, von dem, was der Grenzwert eigentlich erzielen soll. Er ermöglicht nicht, Konsumenten, die sich verantwortungsvoll im Straßenverkehr verhalten, von solchen zu unterscheiden, die sich nicht verantwortungsvoll verhalten.

Verkehrsminister Wissing will nun doch Cannabisgrenzwert für den Straßenverkehr überprüfen

Schon bald soll Cannabis in Deutschland legalisiert werden. Zuletzt wurde in der Ampel darum gerungen, ob auch die THC-Grenzwerte im Straßenverkehr dementsprechend angepasst werden – nun plant Verkehrsminister Wissing eine Überprüfung.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist nun doch bereit, im Rahmen der geplanten Legalisierung von Cannabis die THC-Grenzwerte im Straßenverkehr zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Gegenwärtig werde die Einrichtung einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe mit Experten aus Medizin, Recht und Verkehr vorbereitet, die sich mit der Untersuchung und Ermittlung eines Grenzwertes befassen solle, bestätigte eine Sprecherin Wissings gegenüber dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND).

Nach Informationen des RND hatten zuvor das Gesundheitsministerium und Vertreter der Koalitionsfraktionen darauf gedrungen, angepasste Grenzwerte in das Gesetz zur Cannabislegalisierung aufzunehmen. Andernfalls werde die Freigabe „durch die Hintertür torpediert“, hieß es.

Eine weitere Meldung der vergangenen Tage

„Deutschland wird größter Cannabis-Markt der Welt“ (FAZ.net)

Arzt in Baden-Württemberg soll rechtswidrig Cannabis an Patienten gegeben haben (Deutsches Ärzteblatt)

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