Liebe Leserin, lieber Leser,
heute informieren wir über die gemeinsame Presseerklärung der Fachverbände zu Medizinalcannabis zum Beschluss des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss), den wir zusammen mit einer ersten Einschätzung von mir bereits in der letzten Ausgabe der ACM-Mitteilungen vorgestellt hatten. Meine Einschätzung fällt skeptischer aus als die der gemeinsamen Erklärung der Fachverbände, was auch richtig ist. Schließlich haben wir gemeinsam das erreicht, was maximal erreicht werden konnte. Daher darf der Beschluss als Erfolg gewertet werden. Mehr war nicht möglich – auch wenn die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass die Krankenkassen alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen werden, um die Zahl der Verschreibungen zulasten der GKV möglichst klein zu halten. Die Drohung mit Strafzahlungen für Ärzte, sogenannte Regresse, macht es möglich.
Heiter weiter
Franjo Grotenhermen
Inhalt
- Fachverbände begrüßen G-BA Beschluss zur Verordnung von Medizinalcannabis Genehmigungsvorbehalt für Cannabistherapie entfällt für mehrere Facharztgruppen
- Presseschau: Reaktion auf G-BA-Beschluss: Fachverbände begrüßen Wegfall des Kassenvorbehalts für Medizinalcannabis (Deutsche Apotheker Zeitung)
- Fragwürdige Partner-Tarife und Produkt-Platzierungen: Wollte das Startup Bloomwell bei Cannabis-Händlern mit illegalen Methoden abkassieren?
- Weitere Meldungen der vergangenen Tage
Fachverbände begrüßen G-BA Beschluss zur Verordnung von Medizinalcannabis Genehmigungsvorbehalt für Cannabistherapie entfällt für mehrere Facharztgruppen
In seinem Beschluss vom vergangenen Donnerstag wurde durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegt, dass ärztliche Verschreibungen von Medizinalcannabis für viele relevante Facharztgruppen zukünftig keinem Genehmigungsvorbehalt der Krankenkasse mehr unterliegen sollen. Insgesamt 16 Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen sowie fünf Zusatzbezeichnungen, darunter Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie, Schlafmedizin und spezielle Schmerzmedizin, sind in diese Regelung einbezogen. Das Bündnis der Cannabis-Fachverbände begrüßt diese Entwicklung ausdrücklich: Der Beschluss des G-BA ebnet den Weg für eine effizientere Nutzung der Ressourcen rund um die Medizinalcannabisbehandlung, vor allem bedeutet er aber einen enormen Schritt hin zu einer besseren, unkomplizierteren Patientenversorgung mit deutlich verringertem administrativen Aufwand. Innerhalb der Verbände werden nun verschiedene Informationsformate und Verordnungshilfen ausgearbeitet. Dies soll dazu beitragen, über die zukünftig in vielen Fällen deutlich unbürokratischere Cannabisverschreibung aufzuklären sowie bestehende Vorbehalte gegenüber einer Therapie mit medizinischem Cannabis nachhaltig auszuräumen.
Trotz des Wegfalls einer verpflichtenden Antragstellung bei der Krankenkasse haben die berücksichtigten Facharztgruppen weiterhin die Möglichkeit, bei Unsicherheiten in der Verordnung eine Genehmigung der Kostenübernahme bei der Krankenkasse zu beantragen. Eine Einschränkung auf bestimmte Indikationen ist für den Wegfall des Vorbehaltes seitens des G-BA nicht vorgesehen. In Kraft tritt der Beschluss – sofern das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) innerhalb von zwei Monaten keine rechtlichen Beanstandungen angibt – mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger.
Umfassendes Informationsangebot soll Verordnungsbereitschaft steigern
Der G-BA wird die Auswirkungen des Wegfalls des Genehmigungsvorbehalts auf die Versorgungsrealität über die kommenden 15 Monate hinweg beobachten. Das Bündnis der Cannabis-Fachverbände erhofft sich durch diesen Beschluss ein aktiveres Auseinandersetzen mit der Behandlungsoption Medizinalcannabis, auch von Ärztinnen und Ärzten, die der bisher sehr aufwändigen und bürokratischen Verordnung mit Erstattungsoption kritisch gegenüberstanden. Ziel ist es, Patient:innen einen flächendeckenden Zugang zu einer ärztlich begleiteten Cannabistherapie zu ermöglichen: Die Vorbehalte vieler Behandler:innen gegenüber medizinischem Cannabis waren in der Vergangenheit auch mit der zeitaufwändigen Antragstellung an die Krankenkasse verbunden. Nun liegt die Entscheidungshoheit in weiten Teilen ausschließlich bei den Ärztinnen und Ärzten. Das hält das Bündnis für die richtige Entwicklung im Sinne der Patient:innen. Grundsätzliche Vorgaben wie das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung sowie weitere durch das SGB V gestellte Voraussetzungen für eine Cannabisverordnung gelten weiterhin.
Die beteiligten Verbände sind:
– Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin
– Branchenverband Cannabiswirtschaft
– Bundesverband Pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen
– Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin
– Bundesverband Deutscher Cannabispatienten
– Interdisziplinärer Arbeitskreis Brandenburger Schmerztherapeuten und Palliativmediziner
– Verband der Cannabis versorgenden Apotheken
– Deutsche Medizinal-Cannabis Gesellschaft
Presseschau: Reaktion auf G-BA-Beschluss: Fachverbände begrüßen Wegfall des Kassenvorbehalts für Medizinalcannabis (Deutsche Apotheker Zeitung)
Mehrere Fachverbände, darunter auch ACM und SCM, haben die Möglichkeit begrüßt, dass viele Facharztgruppen, darunter auch Allgemeinmediziner, Internisten und Anästhesisten keine Kostenübernahme mehr beantragen müssen, um ihren Patienten cannabisbasierte Medikamente zu verschreiben. Dies hat der Gemeinsame Bundesausschuss in einer Pressemitteilung vom 18. Juli 2024 erläutert. In den ACM-Mitteilungen vom 20. Juli hat die ACM bereits darauf hingewiesen, dass die konkreten Folgen des Beschlusses unklar sind und von einem Beschluss mit 2 Gesichtern gesprochen.
Verschiedene Cannabis-Fachverbände, darunter der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken, zeigen sich erfreut über die kommenden Neuerungen bei der Verordnung von Medizinalcannabis. Durch den weitgehenden Wegfall des Genehmigungsvorbehalts der Krankenkassen sei nun der Weg geebnet, für eine flächendeckende und effiziente Versorgung.
Der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA), der Bund Deutscher Cannabis-Patienten (BDCan), die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM), sowie der Interdisziplinäre Arbeitskreis Brandenburger Schmerztherapeuten und Palliativmediziner e.V. (IABSP) und vier weitere Fachverbände haben in einer Pressemitteilung vom Mittwoch die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) begrüßt, Medizinalcannabis von Fachärzten ohne Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen verschreiben zu lassen: „Der Beschluss des G-BA ebnet den Weg für eine effizientere Nutzung der Ressourcen rund um die Medizinalcannabisbehandlung, vor allem bedeutet er aber einen enormen Schritt hin zu einer besseren, unkomplizierteren Patientenversorgung mit deutlich verringertem administrativen Aufwand.“
Insgesamt 16 Facharztgruppen und Ärzt*innen mit einer von fünf Zusatzbezeichnungen können laut G-BA-Beschlusses vom 18. Juli zukünftig Medizinalcannabis verordnen. Allerdings muss der Beschluss noch im Bundesanzeiger veröffentlicht werden – und darf nicht vom Bundesgesundheitsministerium beanstandet werden –, damit die Neuregelungen in Kraft treten.
*Ärztinnen müssen aufgeklärt werden**
Die Cannabis-Fachverbände sind nach eigener Aussage nun dabei, ein Informationskonzept und „Verordnungshilfen“ zu entwickeln. Dadurch sollen Ärzt*innen bei der Cannabisverschreibung aufgeklärt und unterstützt werden. Vor allem müssten Vorbehalte hinsichtlich der bürokratischen Hürden beseitigt werden, heißt es – schließlich habe sich in diesem Punkt mit dem G-BA-Beschluss einiges verbessert, betonen die Verbände: „Die Vorbehalte vieler Behandler:innen gegenüber medizinischem Cannabis waren in der Vergangenheit auch mit der zeitaufwändigen Antragstellung an die Krankenkasse verbunden. Nun liegt die Entscheidungshoheit in weiten Teilen ausschließlich bei den Ärztinnen und Ärzten. Das hält das Bündnis für die richtige Entwicklung im Sinne der Patient:innen.“ Mit dem Beschluss sei der Weg geebnet worden für eine flächendeckende Versorgung mit Medizinalcannabis.
Absicherung gegen Regressforderungen
Die Verbände betonen: Weiterhin bestehen grundsätzliche Vorgaben für die Verordnung. So darf Medizinalcannabis nur dann verschrieben werden, wenn eine allgemein anerkannte Therapie nicht zur Verfügung steht oder eine solche aufgrund von Nebenwirkungen im Einzelfall nicht anwendbar ist. Zudem müssen positive Effekte durch den Cannabis-Einsatz absehbar sein. Insofern besteht weiterhin die Möglichkeit der Krankenkassen zur Regressforderung, sollten diese Zweifel an der Einhaltung der Vorgaben hegen. Deshalb weisen die Fachverbände darauf hin, dass trotz des Wegfalls des Genehmigungsvorbehalts „weiterhin die Möglichkeit, bei Unsicherheiten in der Verordnung eine Genehmigung der Kostenübernahme bei der Krankenkasse zu beantragen“, besteht. So könnten sich die Gesundheitsversorger gegen potenzielle Regressforderungen absichern.
Fragwürdige Partner-Tarife und Produkt-Platzierungen: Wollte das Startup Bloomwell bei Cannabis-Händlern mit illegalen Methoden abkassieren?
Die ACM hat bereits im Jahr 2021 die illegalen Praktiken der Bloomwell-Tochter Algea Care kritisiert, was zu einer juristischen Auseinandersetzung führte, die Algea Care verlor. Aus heutiger Sicht müssen die damaligen Praktiken des Telemedizin-Unternehmens als recht moderat betrachtet werden. Algea Care und andere Firmen haben dazugelernt.
Cannabis-Startup Bloomwell: Abkassieren mit fragwürdigen Leistungen für Händler? Fragwürdige Partner-Tarife und Produkt-Platzierungen: Wollte das Startup Bloomwell bei Cannabis-Händlern mit illegalen Methoden abkassieren?
Bloomwell hat ein breites Netz an Patienten, die regelmäßig medizinisches Cannabis kaufen, und ein breites Netz an Partner-Ärzten, die regelmäßig Cannabis-Rezepte ausstellen.
Bloomwell hat ein breites Netz an Patienten, die regelmäßig medizinisches Cannabis kaufen, und ein breites Netz an Partner-Ärzten, die regelmäßig Cannabis-Rezepte ausstellen.
Die Cannabis-Plattform Bloomwell steht schon länger immer mal wieder in der Kritik. Eine interne Präsentation zeigt jetzt, welche fragwürdigen Leistungen das Unternehmen seinen Cannabis-Händlern anbieten wollte, um mehr Blüten an Patienten zu verkaufen. Was hinter den Kulissen von Bloomwell passiert, lest ihr mit BI+.
Im Gesundheitswesen gibt es immer wieder Trends, auf denen neue Geschäftsmodelle aufbauen, wie zum Beispiel Cannabis oder Tele-Medizin. Unternehmen, die diese Trends früh erkennen, können schnell wachsen und Millionen-Umsätze verdienen – so war es auch bei Bloomwell.
Mit der Bloomwell-Gruppe vertreibt Gründer Niklas Kouparanis medizinisches Cannabis. Die 2020 gegründete Cannabis-Plattform deckt dabei alle Patientenbedürfnisse ab: Es wird nämlich nicht nur medizinisches Cannabis verkauft. Auf der Webseite wird auch Kontakt zu Ärzten durch die Bloomwell-Telemedizin-Tochter „Algea Care“ hergestellt, die Rezepte ausstellen. Partnerapotheken versenden das Gras, das sie vom Bloomwell-eigenen Großhändler Ilios Santé beziehen, direkt an die Patienten.
Bloomwell umgeht mit seinem Modell somit herkömmliche Strukturen, bestehend aus Arzt und Apotheken-Besuch. Aber grade im streng regulierten Gesundheitswesen müssen Unternehmen aufpassen, dass sie sich in ihrer Veränderungslust trotzdem an die Regeln halten. Bloomwell ist hier schon häufiger auffällig geworden. Denn Kritiker glauben, das Konstrukt verletze deutsches Recht – und Recherchen von Business Insider lassen jetzt weitere Zweifel aufkommen.
Business Insider wurde eine interne Präsentation des Unternehmens zugespielt. Sie erlaubt einen ungewöhnlich guten Einblick in einen Bereich, der dank der Legalisierung von Cannabis ein Milliarden-Geschäft verspricht. Und sie wirft Fragen auf, wie sehr sich Bloomwell an deutsches Recht hält.
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