ACM NEWSLetter

ACM-Mitteilungen vom 29. März 2025

Liebe Leserin, lieber Leser,

ein Gemeinsamer offener Brief für Modellprojekte, die noch von der ehemaligen Bundesregierung geplant wurden, wirbt für eine rationale Cannabispolitik. Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem pharmazeutische Firmen, Apotheken, Initiativen und Einzelpersonen aus der Wissenschaft. Der Appell spricht sich für eine evidenzbasierte Cannabispolitik aus – auch unter der neuen Bundesregierung.

Zu den Zeichnerinnen zählt auch die Vorsitzende der ACM, Professorin Dr. Kirsten Müller-Vahl, die eines der Modellprojekte leiten soll, während wir uns als Verband diesmal zurückgehalten haben, weil es ausschließlich um den Genusskonsum geht.

Heute Nachmittag hatten wir eine fantastische Online-Fortbildung. Unser Konzept der Veranstaltung ist aufgegangen. Wir haben uns für jedes Thema viel Zeit genommen, sodass viel Raum für lebhafte und zum Teil kontroverse Diskussionen, Kommentare und Fragen zur Verfügung stand. Und wir haben uns auf Themen konzentriert, die häufig kontrovers betrachtet werden.

Und im Herbst wartet schon eine weitere erstklassige Fortbildung, die wir wie in den letzten Jahren zusammen mit dem BPC (Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen) und Medical Tribune am 8. November 2025 in Düsseldorf durchführen wollen. Zudem sehen wir seit einigen Jahren, dass die Zahl der Veranstalter von Fortbildungen und damit auch Informationsmöglichkeiten für Beschäftigte im Gesundheitswesen zunehmen – eine erfreuliche Entwicklung.

Heiter weiter!

Franjo Grotenhermen

Presseschau: Mit oralem Cannabis gegen chronische Rückenschmerzen (Deutsche Apotheker Zeitung)

In naher Zukunft soll es in Deutschland ein weiteres arzneimittelrechtlich zugelassenes Cannabismedikament geben, ein Cannabisvollextrakt mit einem hohen Gehalt an spezifischen Terpenen, der gegen Rückenschmerzen eingesetzt werden soll.

Mit oralem Cannabis gegen chronische Rückenschmerzen

Für die Therapie von chronischen Kreuzschmerzen stehen bislang nicht genügend Therapieoptionen zur Verfügung. Das deutsche Biopharmaunternehmen Vertanical möchte des mit einem Cannabis-Vollextrakt ändern. Auf einer Pressekonferenz gab der Hersteller erste Einblicke in eine schon abgeschlossenen Phase-III-Studie.

Bereits seit 1989 lädt die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) regelmäßig zu den Deutschen Palliativ- und Schmerztagen ein. Dieses Jahr fand die Veranstaltung vom 13. bis 15. März 2025 in Frankfurt statt. Am Freitag war das Deutsche Biopharmaunternehmen Vertanical zu Gast und stellte in dieser von der Firma unterstützen Veranstaltung einen Kandidaten aus ihrer Entwicklungspipeline vor: VER-01.

Hierbei handelt es sich um einen medizinischen Cannabis-Vollextrakt für die orale Einnahme. Neben Tetrahydrocannabinol (THC) sind gemäß Herstellerangaben aufgrund der ausgewählten Pflanzengenetik insbesondere Terpene wie Myrcen und β-Caryophyllen enthalten. Der Cannabidiolgehalt soll unterdessen gering sein. Zugutekommen soll der in einer GMP-zertifizierten Produktionsstätte in Dänemark hergestellte Extrakt chronischen Schmerzpatienten. Für die Indikation chronische Kreuzschmerzen sind bereits zwei klinischen Studien der Phase III abgeschlossen.

Cannabinoide statt Opioide

Bei der Therapie chronischer Schmerzen besteht ein Bedarf an weiteren Arzneimitteln. Weltweit leiden Millionen Menschen an chronischen Schmerzen. Oft erhalten sie Opioide – die jedoch nur bei einem Teil der Patienten langfristig wirksam sind und zudem das Risiko von Nebenwirkungen und Abhängigkeit mit sich bringen. Dies führt Dr. Richard Ibrahim, Präsident der DGS, aus.

Diese Lücke wird mit dem vorgestellten Cannabis-Vollextrakt adressiert. Prof. Dr. Matthias Karst präsentierte erste Daten aus einer Phase-III-Studie mit 820 Patienten, die im Lancet zur Veröffentlichung eingereicht ist. Besonders hebt er hervor, dass sich bei den Patienten in der Verum-Gruppe gegenüber der Placebo-Gruppe nicht nur signifikant die Schmerzen reduziert, sondern sich auch ihre Schlafqualität und die physische Funktion verbessert hätten. Dies seien zwei entscheidende Faktoren für die Lebensqualität der Betroffenen. Weiterhin sei der THC-haltige Extrakt gut verträglich und Karst habe im Laufe der Studie keine Dosiseskalation bei den Patienten beobachtet. Daraus schließt er, dass es nicht zu einem Gewöhnungseffekt oder einer Abhängigkeit gekommen sei.

Studienarzt dr. Philipp Müller-Schwefe betonte, dass seiner Erfahrung nach drei Patientengruppen besonders dem Arzneimittelkandidaten profitiert hätten:

  • Personen mit neuropathischer Schmerzkomponente,

  • Personen, die „voll im Alltag stehen“ und die Einnahme von Opioiden scheuen sowie

  • Personen, bei denen sich die Kreuzschmerzen bereits vor langer Zeit chronifiziert haben.

Als Arzt freut ihn besonders, dass für den Cannabinoid-basierten Extrakt eine Zulassung als Arzneimittel angestrebt wird und Behandlern somit künftig rechtssicher und unbürokratisch verordnungsfähige Optionen zur Verfügung stehen könnten. Zu bedenken bleibt, dass das Präparat nicht bei jedem Patienten anschlägt: Die Drop-out-Rate der vorgestellten Studie lag bei 17%.

Wie geht es weiter?

Für die Indikation chronische Kreuzschmerzen sind bereits Zulassungsanträge in Deutschland und in Österreich gestellt. Mit der Zulassung rechnet der Hersteller in diesen beiden Ländern im Juli 2025. Der Handelsname des Extraktes wird vorraussichtlich Exilby lauten. Daneben hat Unternehmensgründer Dr. Clemens Fischer noch weitere Pläne mit dem Cannabinoid-basierten Extrakt. Bei erteilter Zulassung in Deutschland und Österreich soll eine europäische Zulassung über das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (Mutual Recognition Procedure) folgen. Diese erwartet das Unternehmen 2025/2026. Für einen Zulassungsantrag in den USA läuft darüber hinaus gerade eine weitere Phase-III-Studie in der Indikation chronische Kreuzschmerzen. Zudem sind weitere Phase-III-Studien in der Indikation der neuropathischen Schmerzen geplant. Wenn diese positive Ergebnisse liefert, so wird der Hersteller eine Zulassungserweiterung anstreben.

Presseschau: Cannabis-Straftaten gehen um mehr als die Hälfte zurück (Stern)

Die Auswirkungen der Teillegalisierung, die ziemlich genau vor einem Jahr am 1. April 2024 in Kraft trat, können bisher nicht zuverlässig abgeschätzt werden. Daher wird die Diskussion vor allem mit Meinungen und weniger mit Fakten geführt. So stellt sich die Frage, ob die Strafverfolgungsbehörden durch die neue Gesetzgebung mehr oder weniger belastet sind, und wie sich der Schwarzmarkt entwickelt. Der Stern hat sich mit Daten aus NRW, in dem Innenminister Herbert Reul (CDU) dem Vorhaben bereits vor seinem Beginn sehr ablehnend gegenüberstand, befasst.

Cannabis-Straftaten gehen um mehr als die Hälfte zurück

Die Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis sind durch die Teillegalisierung um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Tatsächlich seien die Folgen des Gesetzes aber fatal, sagt das NRW-Innenministerium.

Die Zahl der Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis ist 2024 in Nordrhein-Westfalen um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Laut Innenministerium führt die Kriminalstatistik 21.777 Fälle auf – 53,25 Prozent weniger als 2023 (46.586 Fälle). Das liegt dem Ministerium zufolge vor allem an der Teillegalisierung von Cannabis, die am 1. April vergangenen Jahres in Kraft getreten ist.

So habe es 2023 zum Beispiel noch 34.605 sogenannte Konsumdelikte gegeben, wie den Kauf von Cannabis. Da man inzwischen aber bis zu 25 Gramm Cannabis mit dabeihaben darf, habe sich “die Schwelle des Anfangsverdachts von Handelsdelikten deutlich nach oben verlagert”, so ein Ministeriumssprecher.

Ministerium: Dealer können kaum noch belangt werden

Auch Dealer könne man seltener belangen, sagte der Sprecher. “Die große erlaubte Besitzmenge von 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum ermöglicht einen risikoarmen Umgang damit durch illegale Cannabishändler. Sie ist sogar deutlich größer als die Menge, die Cannabishändler in der Regel vor der Teillegalisierung mit sich führten.”

Das hat laut Innenministerium in der Praxis die Folge, dass Dealer sich “mehrfach am Tag mit jeweils 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum bewegen und diese jeweils verkaufen, ohne dass Ermittlungsbehörden bei einer Kontrolle den Anfangsverdacht des Handeltreibens begründen könnten, wenn sie die Person nicht bei einem Verkauf beobachtet haben.”

Durch die Teillegalisierung von Cannabis und “im Kontext der geringen Strafen, der erschwerten Nachweisbarkeit, einer gleichbleibend hohen Nachfrage und einer sinkenden Hemmschwelle für den Erstkonsum” sei der “Tatanreiz zum illegalen Handel nach der Teillegalisierung größer als vorher.” 

Schwarzmarkt wird nicht eingedämmt

Das Innenministerium betont: Die inzwischen erlaubten Anbauvereinigungen und der private Eigenanbau seien “aktuell nicht in der Lage, den gleichbleibend hohen Bedarf an Cannabis zu decken, sodass weiterhin fast ausschließlich auf illegales Cannabis zurückgegriffen werden muss.” 

Fazit des Sprechers: “Die durch die Einführung des Cannabisgesetzes intendierte positive Wirkung zur Eindämmung des Schwarzmarktes bleibt also mehr als zweifelhaft. Das Ziel der Bundesregierung, die Strafverfolgungsbehörden durch die (Teil-)Legalisierung von Cannabis zu Konsumzwecken zu entlasten, wurde nicht erreicht.”

Weitere Meldungen der vergangenen Tage

Erstes Cannabis-Schmerzmittel könnte bald zugelassen werden (Handelsblatt)

Evidenzbasierte Cannabispolitik gefordert (Pharmazeutische Zeitung)

Weniger Cannabis, mehr harte Drogen – Rauschgift-Handel verändert sich (Rheinische Post)

Orale Cannabisextrakte bei älteren Schmerzpatienten wirksamer und besser verträglich als reines THC/Dronabinol (Deutsches Ärzteblatt)

Hohe Importzahlen von medizinischem Cannabis: Massiver Missbrauch per Online-Rezept? (General Anzeiger)

Hilft ein neues Cannabis-Fertigmedikament gegen Rückenschmerzen? (Apotheken Umschau)

EXKLUSIV: King Charles „hat sich bewusstseinsverändernden Drogen zugewandt“, da der Kampf gegen den Krebs „quälend“ wird – der „sterbende“ Monarch erzählt seinen Fans stolz, dass er einem der berühmtesten Kiffer-Sänger der Welt zuhört (Radar Online)

Erstes Cannabis-Schmerzmittel könnte bald zugelassen werden (Handelsblatt)

Baden-Württemberg: Ein Jahr Cannabis-Gesetz in Deutschland – Bilanz mit Stuttgarter Daten (Tagesschau)

Ärzten droht hoher Regress bei Cannabisverordnung ohne vorherige Krankenkassen-Genehmigung (ÄrzteZeitung)

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