Offenbar angeregt durch einen Psychiater bzw. Neurologen, der sich darüber aufgeregt hat, dass Dr. Franjo Grotenhermen die Verwendung von Cannabis bei ADHS befürwortet, wurde das Ressort Recht der für ihn zuständigen Ärztekammer Westfalen-Lippe aktiv. Bisher hat erst eine Minderheit von Psychiatern und Neurologen erkannt, dass Cannabisprodukte eine ausgezeichnete Therapieoption für Patienten mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), die auf die üblichen Medikamente (Methylphenidat-Präparate, Amphetamin-Derivate, Atomoxetin) nicht antsprechen, darstellen können. Die Mehrheit ignoriert konsequent die Erfahrungen der Betroffenen, ihrer Lebensgefährten und Eltern mit den positiven Effekten von Cannabis durch Patienten mit ADHS. Die pharmakologische Behandlung der ADHS ist eine Domäne der Neurologen. Allerdings gestehen diese häufig selbst ein, dass Ärzte anderer Fachrichtungen sich gelegentlich besser mit ADHS auskennen als viele ihrer Fachkollegen.
Dr. Grotenhermen weist im Zusammenhang mit der Verweigerung von Psychiatern die Erfahrungen von Patienten mit ADHS auf das Beispiel Autismus hin: „Noch vor 20 Jahren wurde die Eltern-Kind-Beziehung verantwortlich für die Erkrankung gemacht: mangelnde Zuwendung und geringer Kontakt. Den Eltern wurde nicht geglaubt. Die Psychiater hatten die Definitionsgewalt. Ein wichtiger Therapieansatz waren Paartherapien und Psychotherapien der Eltern. Dieses Dogma hat den Eltern und den betroffenen Kindern viel Leid zugefügt.“ Er fügt hinzu, dass es heute eine Parallele zum Umgang mit ADHS gibt: „Die Erfahrungen von Patienten mit ADHS im Erwachsenenalter gleichen sich häufig. Massive Probleme im Kindergarten und der Grundschule; Einnahme von Methylphenidat (Ritalin und andere); Ablehnung der Weiterbehandlung in der Pubertät; verstärkter Alkohol- und Drogenkonsum (Ecstasy, Amphetamine, Cannabis); erstmaliges Gefühl von „Normalität“ unter dem Einfluss von Cannabis. Neben der Diagnose ADHS nun die Diagnose „Cannabisabhängigkeit“ und dringender Rat der Cannabisabstinenz mit Drogenscreenings. Die Erfahrungen der Patienten, Eltern und anderen nahestehenden Personen wird von den meisten Psychiatern kein Glauben geschenkt – mit häufig dramatisch schlimmen Folgen für die betroffenen Patienten.“
Nach einem kurzen Briefwechsel zwischen der Ärztekammer und Franjo Grotenhermen wurde der Vorwurf eines möglichen Verstoßes gegen die Berufsordnung fallen gelassen.
Ärztekammer vom 16. Februar 2015
„… durch einen Onlineartikel unter www.rp-online.de/nrw/städte/dormagen/cannabis-als-medizin-fuer-adhs-kranken-einen-aid-1.4833184 sind wir darauf aufmerksam geworden, dass Sie im Rahmen Ihrer privatärztlichen Praxis offensichtlich schwerpunktmäßig Medikamente auf Cannabisbasis verschreiben. In dem Onlineartikel werden Sie insofern zitiert, als Sie die Verordnung von Medikamenten auf Cannabisbasis unter anderem auch bei ADHS-Patienten befürworten, obwohl Sie nach den uns bislang hier vorliegenden Informationen über keine (nachgewiesene) Qualifikation für nervenheilkundliche Behandlungen verfügen. Darüber hinaus ist fraglich, ob die Darstellung auf Ihrer Homepage über Ihr Behandlungsspektrum mit Überschrift „Cannabis und Cannabinoide“ mit den berufsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist, wenn dort von Ihnen gleichzeitig auf eine öffentliche Petition „Cannabis als Medizin“ hingewiesen wird.
Zur Aufklärung des Sachverhalts bitten wir um Ihre Stellungnahme. Gemäß § 2 Abs. 6 BO Ärztekammer Westfalen-Lippe besteht für Sie die Verpflichtung, Anfragen der Ärztekammer, die diese im Rahmen der Berufsaufsicht an Sie richtet, in angemessener Frist zu beantworten.“
Dr. Grotenhermen vom 3. März 2015
„… Sie sprechen in Ihrem Schreiben zwei Sachverhalte an. Ich kann auf meiner Praxis-Webseite leider keinen Hinweis auf meine Petition finden. Mein Webmaster teilte mir mit, dass es einen solchen Hinweis auch nicht gegeben habe. Vielleicht können Sie mir einen entsprechenden Screenshot oder Link zuschicken und angeben, zu welchem Zeitpunkt ein solcher Hinweis auf meine Petition erfolgte. Sollte tatsächlich ein Verstoß gegen die Berufsordnung vorgelegen haben, so bedaure ich dies.
Es ist aber zutreffend, dass ich über keine Qualifikation für nervenheilkundliche Behandlungen verfüge und die Verordnung von Medikamenten auf Cannabisbasis unter anderem auch bei ADHS-Patienten befürworte. Leider gibt es bisher erst wenige Neurologen, die eine solche Verordnung befürworten, auch wenn ihre Zahl erfreulicherweise zunimmt. Viele verhöhnen jedoch konsequent die therapeutischen Erfahrungen ihrer Patienten mit Cannabisprodukten und die Beobachtungen ihrer Angehörigen und missbrauchen ihre ärztliche Macht mit diskriminierenden Fehldiagnosen wie Cannabismissbrauch oder Cannabisabhängigkeit.
Bereits Ende der neunziger Jahre hat der langjährige Präsident der Landesärztekammer Westfalen-Lippe und damalige Vorsitzende des Ausschusses Sucht und Drogen der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Ingo Flenker, auf die unzureichende Würdigung des medizinischen Potenzials von Cannabisprodukten hingewiesen und eröffnete mir die Möglichkeit, einen entsprechenden Artikel im Westfälischen Ärzteblatt vom Januar 1998 zu publizieren. Prof. Flenker stellt nicht nur in dieser Hinsicht auch heute noch ein Vorbild für die Ärzteschaft des Kammerbereichs Westfalen-Lippe dar.“
Ärztekammer vom 12. März 2015
„… wir bestätigen dankend den Eingang Ihrer Stellungnahme vom 3.3.2015.
Bevor wir eine abschließende berufsaufsichtsrechtliche Bewertung vornehmen, übersenden wir Ihnen in der Anlage wunschgemäß einen Screenshot Ihrer – von uns mit Schreiben vom 18.2.2015 in Bezug genommenen – Homepage.
Ihrer abschließenden Stellungnahme sehen wir zeitnah entgegen.“
Dr. Grotenhermen vom 12. März 2015
„…vielen Dank für Ihr Schreiben. Damit ich adäquat zu Ihren Schreiben Stellung nehmen kann, möchte ich Sie zunächst bitten, mir mitzuteilen, gegen welche Vorschriften der Berufsordnung ich möglicherweise verstoßen haben soll.“
Ärztekammer vom 19. März 2015
„… unter Bezugnahme auf Ihr weiteres Schreiben vom 19.3.2015 teilen wir mit, dass uns mit Hinblick auf die Gestaltung von Teilen ihrer Homepage der Verstoß gegen § 27 Abs. 3 der Berufsordnung möglich erscheint. Insoweit hatten wir Sie bereits mit Schreiben vom 18.2.2015 darauf aufmerksam gemacht, dass es für uns bedenklich erscheint, wenn auf der Darstellung Ihrer Homepage über Ihr Behandlungsspektrum die Überschrift „Cannabis und Cannabinoide“ gleichzeitig auf eine öffentliche Petition „Cannabis als Medizin“ hingewiesen wird.“
Dr. Grotenhermen vom 12. März 2015
„…Ich verstehe mich als Arzt und Cannabisexperten, der seine Expertise nutzt, um die gesundheitliche Situation seiner und anderer Patienten zu verbessern.
Diese Expertise wird von juristischer Seite (siehe in der Anlage ein Auszug aus dem Urteil des Oberverwaltungsgericht Münster vom 11. Juni 2014, AZ 13 A 414/11), von politischer Seite (siehe Bericht über die öffentliche Sitzung des Petitionsausschusses vom 23. März 2015) sowie von medizinischer Seite (siehe Anlage das Programm eines Satelliten-Symposiums der Gesellschaft für toxikologische und forensische Chemie vom 16. April 2015 zum Thema Cannabis) geschätzt.
Bezogen auf die einzelnen Punkte des § 27 der Berufsordnung nehme ich wie folgt Stellung. Es handelt sich bei der Petition um eine sachliche und angemessene Maßnahme zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation meiner Patienten. Mit der Petition ist keine Kommerzialisierung verbunden. Es liegt keine Werbung vor, insbesondere ist der Link zur Petition nicht anpreisend, irreführend oder vergleichend. Ich habe die Verlinkung weder veranlasst noch geduldet. Es liegt keine Werbung für eigene oder fremde gewerbliche Tätigkeiten oder Produkte vor.
In der Zwischenzeit wurde die Petition öffentlich im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags behandelt. Die Bundesregierung plant Verbesserungen bei der medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten, was nach Medienberichten auch vom Vorsitzenden der Bundesärztekammer, Professor Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, begrüßt wird.“
Ärztekammer am 27. April 2015
„… wir bestätigen den Eingang Ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 18.4.2015 samt Anlagen und teilen mit, dass wir den Vorgang hier abgeschlossen haben.“