Im Rahmen einer Anfrage auf der Basis des Informationsfreiheitsgesetzes hat die AOK Nordwest ein 48-seitiges Schreiben veröffentlicht, das umfassend über den Umgang mit Kostenübernahmeanträgen von Patienten für die Verwendung von cannabisbasierten Medikamenten Auskunft gibt.
Danach verlangt die Krankenkasse keine Überprüfung von Kostenübernahmeanträgen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) bei Patienten mit einer Ausnahmeerlaubnis (Seite 5 des Dokuments). Das zeigt, wie man mit dem Thema auch umgehen kann. Bei den meisten anderen Versicherungen wird auch bei Anträgen dieser Patienten der MDK eingeschaltet.
Auf der Seite 7 zeigt die AOK, dass sie nicht besonders gut rechnen kann oder ein verzerrtes Bild von der Realität hat. Dort heißt es „Die Kosten für eine inhalative Cannabisblütentherapie sind höher als für eine Versorgung mit cannabishaltigen Fertigarzneimitteln“ (Seite 7). Ein Patient, der seit vielen Jahren Cannabisblüten in einer Dosierung von 5 g (entsprechend etwa 1000 mg Dronabinol bei THC-reichen Sorten) verwendet und dann auf Dronabinol umgestellt werden soll, benötigt mindestens täglich 500 mg Dronabinol. 5 g Cannabisblüten kosteten vor der Gesetzesänderung 60-75 € und nach der Gesetzesänderung 100-135 €. Dagegen kosten 500 mg Dronabinol etwa 400 €. Eine solche Umstellung auf Dronabinol kann auch meistens aufgrund der schlechteren Verträglichkeit von reinem THC in hohen Dosen nicht funktionieren. Wird ein Patient erstmals auf Dronabinol oder Cannabisblüten eingestellt, so sind meistens Dronabinol-Mengen von 5-30 mg erforderlich. Patienten, die standardisierte Cannabisblüten verschrieben bekommen, kommen meistens mit 0,1-0,5 g Cannabisblüten aus. Ich habe Patienten, die aufgrund einer Krebserkrankung THC in möglichst hohen Dosen einsetzen möchten, um krebshemmende Wirkungen zu erzielen, und nicht über 0,3 g Cannabisblüten einer THC-reichen Sorte hinauskommen, da darüber zu starke Nebenwirkungen auftreten. Wir sprechen also von Cannabisblüten in einer Monatsdosis von 5-15 g und Dronabinol in einer Monatsdosis von 150-900 mg.
Die AOK vergleicht vermutlich aus Unwissenheit Äpfel mit Birnen, nämlich Patienten, die seit vielen Jahren illegal unterschiedliche Cannabissorten eingenommen und über die Zeit eine Toleranz entwickelt haben, mit Patienten, die erstmals auf Fertigarzneimittel eingestellt werden.
Auf Seite 6 verweist die AOK darauf, dass als Medizingeräte zugelassene Verdampfer (Vaporizatoren) „perspektivisch in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen sind. Voraussetzung der Geräteanwendung ist ein Mindestalter von 18 Jahren sowie der Ausschluss einer Lungenerkrankung. Wenn medizinisch indiziert, können die Kosten für Verdampfer oder für deren leihweise Überlassung übernommen werden“.