Ende August berichteten die deutschen Medien über eine Studie, die von einer internationalen Forschergruppe in Neuseeland durchgeführt worden war. Die Forscher hatten 1.037 Einwohner der Stadt Dunedin von der Geburt bis zum 38. Lebensjahr begleitet und herausgefunden, dass der Beginn eines starken Cannabiskonsums vor dem 18. Lebensjahr, der danach 10 oder 20 Jahre lang fortgesetzt wird, mit einer reduzierten Intelligenz im späteren Leben verbunden ist. Wurde der Konsum nach dem 18. Lebensjahr begonnen, wurde die Intelligenz nicht beeinflusst. Die deutschen Zeitungen druckten überwiegend unkritisch einen sinnentstellenden Artikel der deutschen Presseagentur (dpa) ab. Die Überschriften lauteten beispielsweise „Kiffen macht dumm“. Im englischen Sprachraum wurde demgegenüber sehr sachlich berichtet.
Am 30. August verschickte die ACM eine Pressemitteilung und strich die gute Nachricht der Studie heraus, nämlich das auch regelmäßiger Cannabiskonsum bei Erwachsenen nicht die Konzentrationsfähigkeit und geistige Leistungsfähigkeit von Erwachsenen beeinträchtigt.
Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) vom 30. August 2012
Cannabis sicher für Erwachsene
Langzeitstudie beweist: Cannabiskonsum beeinträchtigt weder Intelligenz, Konzentrationsfähigkeit noch Gedächtnisleistung. Sicherer Einsatz von Cannabisprodukten in medizinischer Anwendung möglich.
Eine aktuelle Untersuchung hat erstmals bestätigt, dass regelmäßiger Cannabiskonsum bei Erwachsenen zu keiner Beeinträchtigung der Intelligenz führt. Weiteres Ergebnis der Langzeitstudie: Eine Abnahme der Intelligenz tritt dann ein, wenn bereits vor dem 18. Lebensjahr eine Abhängigkeit bestand. Beginnt der Konsum erst nach dem 18. Lebensjahr, so hat dieser selbst bei einer starken Nutzung der Droge keine Auswirkungen auf Intelligenz, Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnis. Dieses Ergebnis hat weit reichende Folgen für den Einsatz von Cannabis in der medizinischen Anwendung: Erstmals kann dessen therapeutische Verwendung als sicher bezeichnet werden.
„Das Ergebnis ist eine gute Nachricht für alle Patienten, die Medikamente auf Cannabisbasis verwenden“, erklärte Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin in Rüthen. „Eine mäßig starke Cannabisverwendung wie beim medizinischen Einsatz sowie die Verwendung der Droge durch Erwachsene geht nicht mit messbaren Beeinträchtigungen einher“. Gleichzeitig kritisiert Grotenhermen die stark verkürzte Wiedergabe der Studienergebnisse in den Medien. „Die Überschrift ‚Kiffen macht dumm‘ entspricht nicht dem, was die Wissenschaftler über Jahre hinweg herausfanden und lässt die positiven Aspekte der Ergebnisse völlig außen vor.“
Forscher um Madeline Meier von der Duke University in Durham (USA, Bundesstaat North Carolina) hatten die 1037 Studienteilnehmer aus Dunedin in Neuseeland seit ihrer Geburt in den Jahren 1972/73 begleitet und im Laufe ihres Lebens wiederholt untersucht und befragt. Es handelt sich um die bisher aussagekräftigste Studie zum Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und geistiger Leistungsfähigkeit. Einer der Studienleiter, Terrie Moffitt, Professor am Institut für Psychiatrie des King’s College in London, erklärte gegenüber der BBC: „Es ist eine derart spezielle Studie, dass ich mir sehr sicher bin, dass Cannabiskonsum für Gehirne über 18 sicher ist, aber risikoreich für Gehirne unter 18.“
Fünf Prozent der Studienteilnehmer waren bereits vor dem 18. Lebensjahr regelmäßige und starke Konsumenten. Am meisten betroffen von der Schädigung des Gehirns waren Studienteilnehmer, die nicht nur schon im Jugendalter abhängig waren, sondern insgesamt auch mehr als 20 Jahre konsumiert hatten. Die Studie stimmt mit früheren wissenschaftlichen Erkenntnissen überein, nach denen das Gehirn von Kindern und Jugendlichen besonders empfindlich auf Drogen wie Cannabis, Nikotin und Alkohol reagiert, während das Gehirn Erwachsener zwar durch Alkoholkonsum, nicht jedoch durch den Konsum von Cannabis geschädigt werden kann.
Die Wissenschaftler empfehlen, stärker auf Prävention für Jugendliche zu setzen und den Cannabiskonsum möglichst bis zum 18. Lebensjahr zu verhindern. Mitautor Avshalom Caspi, Professor am Institut für Genome Sciences & Policy der Duke University, erklärte, er hoffe, dass das Ergebnis keine Diskussion über die Legalisierung von Cannabis für Erwachsene auslöst: „Die einfache Botschaft ist, dass Cannabis für Kinder nicht gesund ist. Das trifft auch für Tabak und Alkohol und nun offensichtlich auch für Cannabis zu.“
Eine vergleichbare Beobachtung gilt für den Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und schizophrenen Psychosen. Aktuelle wissenschaftliche Studien legen nahe, dass die Droge das Risiko verdoppelt, wenn sie regelmäßig bereits vor dem Abschluss des Gehirnwachstums geraucht wird. Damit vergrößert die Verwendung von Cannabis durch Jugendliche das Risiko so stark wie das Aufwachsen von Kindern in einer großen Stadt verglichen mit Menschen, die in einer ländlichen Region groß geworden sind. Diese geringe Zunahme des Risikos bedeutet, dass 1 bis 2 von 100 starken jugendlichen Cannabiskonsumenten und 1 bis 2 von 100 Großstädtern im Laufe ihres Lebens eine Schizophrenie entwickeln werden, verglichen mit 0,5 bis 1 von 100 Personen ohne jeden Risikofaktor.
Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM) setzt sich seit 1997 für Verbesserungen bei der medizinischen Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden ein. Sie ist ein gemeinnütziger Verein aus Ärzten, Apothekern und Patienten aus Deutschland und der Schweiz. Mediziner und Pharmakologen der ACM sind zugleich Mitglieder der International Association for Cannabinoid Medicines (IACM), einer wissenschaftlichen Gesellschaft, die sich mit dem therapeutischen Potenzial von Cannabinoid-Medikamenten befasst.
Sollten Sie weitere Informationen zum Thema wünschen, stehen wir Ihnen gerne für Gespräche zur Verfügung:
Dr. med Franjo Grotenhermen
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